Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
seinem exzentrischen Schulmeister-Onkel erzählt hatte. «Er war Adams Lehrer, oder?»
«Er hat sowohl Adam als auch Anna unterrichtet. Jetzt ist er Direktor der County-Schule, und Miriam will, dass ich ihn zum Major mache.» Miriam war Washington Faulconers Frau, eine Dame, die zurückgezogen auf dem Land lebte und an einer kräftezehrenden Unzahl mysteriöser Beschwerden litt. «Pecker zum Major machen!», rief Faulconer und lachte höhnisch bei der bloßen Vorstellung. «Bei Gott, diesem jämmerlichen Tropf würde ich nicht einmal die Verantwortung für einen Hühnerstall übertragen, ganz zu schweigen von einem Kampfregiment im Einsatz! Er ist wirklich ein armseliger Verwandter, Nate. Das ist Pecker. Ein armseliger Verwandter. Nun gut, an die Arbeit!»
Arbeit gab es mehr als genug. Das Haus wurde von Besuchern belagert, manche wollten finanzielle Unterstützung zur Entwicklung einer Geheimwaffe, die dem Süden, so schworen sie, den sofortigen Sieg bringen würde, andere wollten einen Offiziersposten in der Legion. Unter Letzteren waren zahlreiche erfahrene Berufssoldaten aus Europa, die von ihrer eigenen Armee auf halben Sold gesetzt worden waren; dennoch wurde diesen Antragstellern erklärt, dass in der Legion Faulconer ausschließlich Männer aus der Region Offiziere werden konnten und dass Faulconers Adjutanten ebenfalls sämtlich aus Virginia kommen mussten. «Mit Ausnahme von dir, Nate», sagte Washington Faulconer zu Starbuck, «das heißt, wenn du in meine Dienste treten willst.»
«Es wäre mir eine Ehre, Sir.» All die Freundlichkeit und das Vertrauen, das Faulconer ihm erwies, ließen ein warmes Gefühl der Dankbarkeit in Starbuck aufsteigen.
«Wird es dir nicht schwerfallen, gegen deine eigenen Leute zu kämpfen, Nate?», fragte Faulconer besorgt.
«Ich fühle mich mehr hier zu Hause, Sir.»
«Und das solltest du auch. Der Süden ist das wahre Amerika, Nate, nicht der Norden.»
Keine zehn Minuten später musste Starbuck einem narbenbedeckten österreichischen Kavallerieoffizier eine Stellung verweigern, der angab, in Norditalien in einem halben Dutzend großer Schlachten gekämpft zu haben. Als der Mann hörte, dass nur Virginier auf die Befehlsebene der Legion kamen, erkundigte er sich sarkastisch nach dem Weg nach Washington. «Wenn mich hier niemand haben will, dann, bei Gott, kämpfe ich eben für den Norden!»
Anfang Mai kam die Nachricht, dass Kriegsschiffe aus dem Norden mit einer Blockade der Konföderierten-Küste begonnen hatten. Jefferson Davis, der neue Präsident der provisorischen Regierung der Konföderierten Staaten von Amerika, konterte mit der Unterzeichnung einer Kriegserklärung gegen die Unionsstaaten, obwohl im Staat Virginia Uneinigkeit darüber herrschte, ob dieser Krieg riskiert werden sollte. Aus Alexandria, einer Stadt, die Washington am anderen Ufer des Potomacs gegenüberlag, wurden staatliche Truppeneinheiten zurückgezogen – eine Entscheidung, die Washington Faulconer als typisch für Letchers Kleinmut verdammte. «Weißt du, was der Gouverneur will?», fragte er Nate.
«Ihnen die Legion wegnehmen, Sir?»
«Er will, dass der Norden in Virginia einmarschiert, weil er dann vom politischen Grenzzaun heruntersteigen kann, ohne sich die Reithosen schmutzig zu machen. Er war nie begeistert von der Sezession. Er ist ein Gesinnungslump, Nate, das ist sein Problem – sein Opportunismus.» Doch Letcher war weit entfernt davon, untätig abzuwarten, während der Norden die Union wiederherstellte. Schon am nächsten Tag kam die Nachricht, dass er Truppen aus Virginia zur Besetzung der Stadt Harper’s Ferry, fünfzig Meilen flussauf von Washington, beordert hatte. Der Norden hatte die Stadt kampflos aufgegeben und in der Waffenfabrik Tonnen von Material und Maschinen zur Gewehrherstellung zurückgelassen. Richmond feierte diesen Sieg, Washington Faulconer allerdings wirkte etwas herabgestimmt. Er hatte an seiner Idee gehangen, die Baltimore and Ohio Railroad anzugreifen, die bei Harper’s Ferry den Potomac überquerte, doch nun, wo die Stadt und die Brücke in den Händen des Südens waren, schien es keinen Sinn mehr zu haben, die Bahnlinie weiter westlich zu überfallen. Die Nachricht von der Besetzung der Stadt am Fluss rief außerdem eine Welle von Spekulationen darüber hervor, dass die Konföderation einen Präventivschlag über den Potomac vorbereitete. Und Faulconer, der fürchtete, man würde seiner rasch wachsenden Legion ihren angemessenen Platz bei einem solch
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