Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
betest du für Sally.»
Starbuck war keineswegs sicher, dass ein Gebet ein Mädchen daran hindern konnte, sich herumzutreiben, aber das wollte er Thomas Truslow nicht sagen. «Warum gehen Sie nicht mit ihr ins Tal? Dort muss es doch richtige Pastoren geben, die sie verheiraten können.»
«Die Pastoren im Tal, Mister», Truslow drehte sich um und stieß seinen Zeigefinger auf Starbucks Brust, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, «waren zu verdammt selbstgerecht, um meine Emily zu beerdigen, also glaub mir, sie sind auch zu verdammt selbstgerecht, um meine Tochter mit ihrem Robert zu verheiraten. Und willst du mir gerade sagen, dass du dir auch zu gut für solche Leute wie uns bist?» Sein Finger stieß ein letztes Mal auf Starbucks Brust vor und dort blieb er.
«Es wäre mir eine Ehre, wenn ich die Zeremonie für Ihre Tochter abhalten dürfte, Sir», sagte Starbuck hastig.
Sally Truslow und ihr Robert kamen kurz nach Einbruch der Dunkelheit. Roper begleitete sie, er führte Sallys Pferd am Zügel. Sie stieg vor der Veranda des Blockhauses ab, auf der eine Blendlampe brannte. Sie hielt den Kopf gesenkt, wagte es nicht, den Blick zu ihrem Vater zu heben. Sie trug eine schwarze Haube und ein blaues Kleid. Sie war schlank, noch deutete nichts auf ihre Schwangerschaft hin.
Bei ihr war ein Junge mit rundlichem, unschuldigem Gesicht. Er war glatt rasiert, und im Grunde sah er so aus, als könnte er sich noch gar keinen Bart wachsen lassen, selbst wenn er es gewollt hätte. Er mochte sechzehn Jahre alt sein, aber Starbuck hielt ihn für jünger. Robert Decker hatte dickes rotblondes Haar, vertrauensvoll blickende blaue Augen, und er lächelte schnell, was er nun allerdings zu vermeiden suchte, als er seinen zukünftigen Schwiegervater begrüßte. «Mister Truslow», sagte er wachsam.
«Robert Decker», sagte Truslow, «hier stelle ich dir Nathaniel Starbuck vor. Er ist ein Gottesmann und hat sich einverstanden erklärt, dich und Sally zu verheiraten.»
Robert Decker, der seinen runden Hut mit beiden Händen vor dem Bauch hielt und ihn hin und her drehte, nickte Starbuck gut gelaunt zu. «Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mister.»
«Sally, heb den Kopf!», knurrte Truslow.
«Ich weiß aber gar nicht, ob ich verheiratet werden will», jammerte sie.
«Du tust, was dir gesagt wird», kam es von ihrem Vater.
«Ich will in ’ner Kirche heiraten!», beharrte das Mädchen. «Wie Laura Taylor, und die Messe soll ein richtiger Pastor abhalten!» Starbuck hörte kaum, was sie sagte, und ihre Worte kümmerten ihn nicht einmal. Er konnte Sally Truslow nur anstaunen und sich fragen, warum Gott solche Mysterien vollbrachte. Warum war ein schlichtes Mädchen vom Land, Kind einer Ehebrecherin und eines abgebrühten Gauners, dazu geboren, alles in seiner Umgebung blass wirken zu lassen? Denn Sally Truslow war von umwerfender Schönheit. Ihre Augen waren so blau wie der Himmel über dem Meer von Nantucket, ihr Anblick süß wie Honig, ihre Lippen so voll und verführerisch, wie es sich ein Mann nur erträumen konnte. Ihr Haar war dunkelbraun mit helleren Strähnen und fiel ihr üppig ums Gesicht. «Eine Heirat sollte feierlich sein», beschwerte sie sich, «ich will nicht einfach bloß über ’nen Besenstiel springen.» Mit dem Sprung über einen Besenstiel wurde tief in der Provinz ein Ehestand begründet, auch die Sklaven machten es auf diese Weise.
«Hast du vor, das Kind allein aufzuziehen, Sally?», fragte Truslow. «Unverheiratet?»
«Das kannst du nicht machen, Sally», sagte Robert Decker mit ängstlicher Stimme. «Du brauchst doch einen Mann, der für dich arbeitet und sich um dich kümmert.»
«Vielleicht wird das Kind ja gar nicht geboren», sagte sie bockig.
Truslows Hand schoss blitzartig vor und schlug seine Tochter kräftig auf die Wange. Es hörte sich an wie ein Peitschenknall. «Wenn du dieses Kind tötest», drohte er, «bearbeite ich dich so lange mit dem Gürtel, bis deine Knochen so roh daliegen wie Bettlatten. Hast du mich verstanden?»
«Ich mach ja nichts.» Sie weinte und krümmte sich, erschrocken über den brutalen Schlag ins Gesicht. Ihre Wange brannte feuerrot, doch in ihren Augen stand immer noch leidenschaftliche Streitlust.
«Weißt du, was ich mit einer Kuh mache, die ihr Kalb nicht austragen will?», schrie Truslow. «Ich schlachte sie. Glaubst du, irgendwen würde es kümmern, wenn ich ein Luder unter die Erde bringe, das sein Kind abgetrieben hat?»
«Ich werd nichts
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