Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
Das Schmuckstück schimmerte in der Dämmerung, ein Silberring, um dessen Rand etwas graviert war, das Starbuck nicht erkennen konnte.
«Das war der Ring deiner Mutter», sagte Truslow.
«Und Ma hat immer gesagt, dass ich ihn bekommen soll», betonte Sally.
«Ich hätte ihn mit ihr begraben sollen.» Truslow schaute auf den Ring hinunter, den er offenkundig als mächtige Reliquie betrachtete, dann aber streckte er Starbuck den Ring kurz entschlossen entgegen, als wüsste er, dass er diese Entscheidung noch bedauern würde. «Sprich die Worte», knurrte er.
Roper zog sich den Hut vom Kopf, während sich der junge Decker um einen würdevollen Gesichtsausdruck bemühte. Sally leckte sich über die Lippen und lächelte Starbuck an, der wiederum auf den Ring hinunterblickte, den Truslow auf die ramponierte Bibel in seinen Händen gelegt hatte. Er sah, dass Worte in den Ring graviert waren, konnte sie jedoch in dem trüben Licht nicht lesen. Bei Gott, dachte er, welche Worte sollte er für diese Farce von Eheschließung finden? Dies war eine schlimmere Prüfung als die Sägegrube.
«Sprich, Mister», forderte ihn Truslow grollend auf.
«Gott hat die Ehe gestiftet», hörte sich Starbuck sagen, während er sich verzweifelt an die Trauungen zu erinnern versuchte, denen er in Boston beigewohnt hatte, «damit sie zu einem Instrument Seiner Liebe werde und zu einer Institution, in der wir unsere Kinder zur Welt bringen, um sie zu Seinen Dienern zu erziehen. Die Gebote der Ehe sind einfach: Ihr sollt einander lieben.» Er hatte Robert Decker angesehen, und der junge Mann nickte eifrig, als ob er Starbuck seiner Bereitwilligkeit versichern müsste, und Starbuck bekam schreckliches Mitleid mit diesem aufrichtigen Narren, der mit einer Verführerin ins Ehejoch gespannt wurde. Dann sah er Sally an. «Und ihr sollt einander treu sein, bis dass der Tod euch scheidet.»
Sie lächelte Starbuck an, und alle Worte, die er noch hatte sagen wollen, lösten sich auf wie Nebel in der Mittagssonne. Er öffnete den Mund, fand, dass er nichts zu sagen hatte, und schloss ihn wieder.
«Hast du gehört, was dieser Mann gesagt hat, Sally Truslow?», fragte ihr Vater.
«Ja, verdammt, ich bin doch nicht taub.»
«Nimm den Ring, Robert», sagte Starbuck und war über seine eigene Dreistigkeit erstaunt. Man hatte ihn im Priesterseminar gelehrt, dass die Sakramente feierliche Rituale waren, die von auserwählten Männern vor Gott bezeugt wurden, den frömmsten aller Männer, und doch stand er hier, ein Sünder, und erfand beim flackernden Licht einer von Motten umflatterten Laterne unter dem aufgehenden Mond Virginias ein geschmackloses Zerrbild von einer Eheschließung. «Leg deine Hand auf die Bibel», sagte er zu Robert, und Robert legte seine schwielige Hand auf die mitgenommene Familienbibel, die Starbuck ihm entgegenhielt. «Sprich mir nach», sagte Starbuck, und dann klaubte er sich irgendeinen Eheschwur zusammen, den er die beiden nachsprechen ließ. Danach hieß er Robert, Sally den Ring auf den Finger zu schieben, erklärte sie zu Mann und Frau, schloss die Augen und hob sein Gesicht dem Sternenhimmel entgegen. «Mögen der Segen des Allmächtigen Gottes und seine Liebe und sein Schutz immer bei euch sein und euch beide von heute bis zum Ende der Welt vor Schaden bewahren. Darum bitten wir im Namen des Herrn, der uns so sehr geliebt hat, dass er uns seinen einzigen Sohn zu unserer Erlösung schenkte. Amen.»
«Amen», sagte Thomas Truslow. «Amen.»
«Lob sei dem Herrn, Amen», sagte Roper hinter dem Paar.
«Amen, Amen.» Robert Decker strahlte vor Glück.
«War das schon alles?», fragte Sally Decker.
«Der Rest deines Lebens ist alles», fuhr ihr Vater sie an. «Und du hast versprochen, treu zu sein, und dieses Versprechen hältst du, Mädchen, oder du kannst dich auf etwas gefasst machen.» Er griff nach ihrer linken Hand, und obwohl Sally versuchte, sich loszuwinden, zog er sie heftig zu sich. Er schaute auf den Ring an ihrem Finger. «Und du passt auf diesen Ring auf, Mädchen.»
Sally sagte nichts, und Starbuck hatte den Eindruck, dass sie mit der Eroberung des Rings von ihrem Vater einen Sieg über ihn errungen hatte und dass dieser Sieg viel bedeutender für sie war als ihre Eheschließung.
Truslow ließ ihre Hand los. «Schreibst du ihre Namen in die Bibel?», fragte er Starbuck. «Damit alles seine Richtigkeit hat?»
«Gewiss», sagte Starbuck.
«Im Haus ist ein Tisch, und ein Bleistift ist in dem Becher auf dem
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