Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
Trost überkommener, liebevoll gesprochener Worte, und so hielt Starbuck die Bibel fest in der Hand, schloss die Augen und hob sein Gesicht empor zu dem blühenden Baum in der Abenddämmerung, doch dann fühlte er sich mit einem Mal wie ein Narr und Heuchler, und kein Wort kam ihm über die Lippen. Er öffnete den Mund, aber er konnte nicht sprechen.
«Recht so», sagte Truslow, «lass dir Zeit.»
Starbuck suchte in seinem Gedächtnis nach einem Bibelwort, mit dem er anfangen könnte. Seine Kehle war trocken. Er schlug die Augen auf, und auf einmal fiel ihm ein Vers ein. «Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe.»
«Amen», sagte Truslow. «Amen.»
«Er gehet auf wie eine Blume …»
«Das war sie, das war sie, Gott sei gelobt, das war sie.»
«… und fällt ab.»
«Der Herr hat sie genommen, der Herr hat sie genommen.» Truslow schaukelte mit geschlossenen Augen vor und zurück, während er seine ganze Kraft in das Gebet legte.
«Er flieht wie ein Schatten und bleibet nicht.»
«Gott stehe uns Sündern bei», sagte Truslow. «Gott stehe uns bei.»
Mit einem Mal verstummte Starbuck. Er hatte die ersten beiden Verse aus dem vierzehnten Kapitel des Buches Hiob zitiert, und nun fiel ihm auf einmal der vierte Vers ein, in dem gefragt wurde, ob wohl Reinheit von denen kommen könne, die unrein sind. Und die gnadenlose Antwort lautete nein. Und ganz bestimmt war doch Truslows ungeweihte Ehe unrein gewesen, oder?
«Beten, Mister, beten», drängte ihn Truslow.
«O Herr und Gott» – Starbuck blinzelte in den schrägen Sonnenstrahlen –, «gedenke Deiner Emily, die Deine Dienerin war, Deine Magd, die aus dieser Welt gerissen wurde, um in Deine große Herrlichkeit einzugehen.»
«Das war sie, das war sie!» Beinahe schrie Truslow diese Bekräftigung.
«Gedenke Deiner Emily Truslow –», fuhr Starbuck dürftig fort.
«Mallory», unterbrach ihn Truslow. «Das war ihr richtiger Name. Emily Marjory Mallory. Und sollten wir nicht knien?» Er riss sich den Hut vom Kopf und kniete sich auf die weiche Lehmerde.
Auch Starbuck ging auf die Knie. «O Herr», begann er von neuem, und dann war er einen Moment sprachlos, denn wie aus dem Nichts kamen nun die Worte zu ihm. Er spürte, wie ihn Truslows Trauer ergriff, und versuchte, diese Trauer dem Herrn aufzubürden. Truslow stöhnte, als er dem Gebet zuhörte, und Starbuck hob das Gesicht erneut dem blühenden Baum entgegen, als könnte er damit seinen Worten starke Schwingen verleihen, damit sie sich über die Bäume erhoben, hinauf in den Abendhimmel, höher als die ersten blassen Sterne, bis dorthin, wo Gott in all seiner schrecklichen, strengen Majestät regierte. Das Gebet war gut, und Starbuck spürte seine Kraft und fragte sich, warum er für sich selbst nicht so beten konnte, wie er es für diese unbekannte Frau tat. «O Gott», endete er, und Tränen liefen ihm über die Wangen, «o gütiger Gott, erhöre unser Gebet, erhöre uns, erhöre uns.»
Und dann herrschte wieder Stille, unterbrochen nur vom Wind im Blattwerk, von zwitschernden Vögeln und dem Bellen eines Hundes, das aus dem Tal heraufklang. Als Starbuck die Augen aufschlug, sah er, dass Tränen ihre Spuren auf Truslows schmutzigem Gesicht hinterlassen hatten, und doch wirkte der kleine Mann merkwürdig heiter. Er beugte sich vor, um seine kräftigen Finger in den Grabhügel zu bohren, und so verbunden mit der Erde über Emilys Körper, begann er zu sprechen.
«Ich ziehe in den Krieg, Emily», sagte er ohne Scham darüber, dass er in Starbucks Gegenwart zu seiner toten Frau sprach. «Faulconer ist ein Narr, und ich gehe nicht für ihn, aber wir haben Verwandte in seinen Reihen, und für die gehe ich. Dein Bruder ist in diese sogenannte Legion eingetreten und Cousin Tim auch, und du würdest wollen, dass ich nach den beiden sehe, mein Mädchen, also tue ich es. Und Sally wird es bestens gehen. Sie hat jetzt einen Mann, und er wird sich um sie kümmern, und du musst einfach nur auf mich warten, meine Liebe, und Gott wird den Zeitpunkt bestimmen, an dem ich zu dir komme. Das ist Mister Starbuck, der für dich gebetet hat. Das hat er gut gemacht, findest du nicht?» Truslow schluchzte, doch dann zog er seine Hände aus der Erde und wischte sie an seiner Jeans ab, bevor er sich damit über die tränennassen Wangen fuhr. «Du verstehst etwas vom Beten», sagte er zu Starbuck.
«Ich glaube, Ihr Gebet ist auch ohne meine Hilfe erhört worden», sagte Starbuck bescheiden.
«Ein
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