Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
unbehaglich, vielleicht lag es an Sally Deckers unglaublichem Aussehen. Ihre Kleider waren Lumpen, ihr Haar ungewaschen, und ihre Schuhe wurden von Schnur zusammengehalten, und trotzdem konnte sie es mit ihrer atemberaubenden Schönheit mit jedem der Mädchen aufnehmen, die in ihren Kutschen den Richmonder Capitol Square auf und ab fuhren.
«Ich bin nicht wirklich seine Frau», sagte Sally schnippisch und versuchte, einen Ring an ihrem Finger zu verstecken.
«Doch, das bist du», widersprach Decker. «Wir wurden von einem Pastor getraut, Mister Bird.»
«Gut, gut. Wie auch immer.» Bird dachte an sein eigenes frischgebackenes und ihm von einem Pastor angetrautes Eheweib in der Küche, und fragte sich, was um alles in der Welt die beiden von ihm wollten. Unterricht? Manche Erwachsenen kamen zu Bird zurück und baten den Schulmeister, all die Jahre der Unaufmerksamkeit oder des Schuleschwänzens wiedergutzumachen.
«Ich bin zu Ihnen gekommen, Mister Bird, weil ich gehört habe, Sie könnten mich bei der Legion in Dienst nehmen», sagte Decker.
«Ah!» Erleichtert über diese Erklärung, ließ Bird seinen Blick von dem ehrlichen Jungengesicht zu der mürrischen Schönheit wandern. Die beiden waren, dachte er, ein sehr ungleiches Paar, dann fragte er sich, ob die Leute über Priscilla und ihn das Gleiche dachten. «Du willst in die Legion Faulconer eintreten?»
«Ich glaube schon», sagte Decker und warf Sally einen kurzen Blick zu, was wohl hieß, dass eher sie als Robert diesen Wunsch vorgebracht hatte.
«Du hast doch nicht etwa einen Petticoat bekommen?», fragte Bird drängend und strich sich mit der Linken durch seinen Zausebart. «Der auf deiner Türschwelle lag?»
«Nein, Mister Bird.» Decker dachte eindeutig, sein alter Schulmeister sei im besten Falle exzentrisch und im schlimmsten Fall verrückt geworden.
«Gut, gut.» Bird gab keine Erklärung ab. In den vergangenen beiden Wochen hatten eine ganze Reihe Männer Petticoats auf ihren Veranden oder ihren Karren entdeckt. All diese Männer hatten sich nicht freiwillig für die Legion gemeldet. Einige litten unter Krankheit, einige waren die einzigen Ernährer großer Familien, andere waren Jungen mit einer vielversprechenden Zukunft auf dem College, und nur wenige, sehr wenige konnten für ängstlich gehalten werden, doch die Petticoats als Spottgeschenk hatten all diese Männer in die gleiche Ecke der Feigheit gestellt. Das Geschehen hatte in der Gemeinde für schlechte Stimmung gesorgt, hatte diejenigen, die sich für den heraufziehenden Krieg begeisterten, gegen diejenigen aufgebracht, die glaubten, das Kriegsfieber würde hoffentlich bald vorübergehen. Bird, der genau wusste, woher die Petticoats gekommen waren, hatte höflich geschwiegen.
«Sally sagt, ich soll eintreten», erklärte Decker.
«Wenn er ein richtiger Ehemann sein will», sagte Sally, «dann muss er sich bewähren. Alle anderen Männer ziehen in den Krieg. Jedenfalls alle richtigen Männer.»
«Ich wollte sowieso in die Legion», fuhr Robert Decker fort, «wie Sallys Vater. Es ist nur so, dass er wirklich böse wäre, wenn er wüsste, dass ich hier bin, also will ich mich ordentlich eintragen lassen, bevor ich zum Lager gehe. Dann kann er mich nicht mehr rauswerfen lassen, oder? Nicht wenn ich ordentlich angemustert habe. Und ich will es so geregelt haben, dass Sally meinen Sold abholen kann. Ich habe gehört, so etwas geht. Stimmt das, Mister Bird?»
«Viele Frauen holen den Sold ihrer Männer ab, ja.» Bird sah flüchtig zu dem Mädchen hinüber und wunderte sich erneut, dass eine solche Schönheit aus den rauen Bergen stammen konnte. «Dein Vater ist in der Legion?», fragte er Sally.
«Thomas Truslow.» Sie sprach den Namen mit Erbitterung aus.
«Guter Gott.» Bird konnte seine Überraschung darüber, dass Thomas Truslow dieses Mädchen gezeugt hatte, kaum verbergen. «Und deine Mutter», fragte er zögernd, «deine Mutter kenne ich nicht, oder?»
«Sie ist tot», sagte Sally herausfordernd, um ihm zu bedeuten, dass ihn dieses Thema nichts anging.
Und das stimmte, gab Bird vor sich zu, und so erklärte er Decker, er solle in das Lager der Legion gehen und dort Lieutenant Davies suchen. Beinahe hätte er hinzugefügt, dass Robert seiner Meinung nach vor dem nächsten Morgen nichts erreichen würde, aber er hielt sich zurück, denn er wollte sich nach einer solchen Bemerkung nicht dazu genötigt fühlen, dem Paar eine Übernachtungsmöglichkeit anzubieten. «Davies, an den
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