Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
Hand, um ihr in das düstere, muffige Innere der Kutsche hinaufzuhelfen. Die Lederrollos der Fenster waren heruntergerollt und unten am Fensterrahmen festgenagelt worden. Ridley ging auf die Kutsche zu, unsicher, was er tun sollte, aber da schob ihn Tillotson schon ohne Umschweife weg, faltete die Stufen auf und sprang flink ins Dunkel der Kutsche. «Hab sie, Tommy!», rief er dem Kutscher zu. «Los geht’s!» Er warf den nagelneuen Sonnenschirm in die Gosse und schlug die Tür zu.
«Ethan!», erklang Sallys Stimme in kläglichem Protest, als die große Kutsche nach vorne schlingerte. Dann rief sie erneut, lauter. «Ethan!»
Dann war das Geräusch einer Ohrfeige zu hören, ein Schrei und dann nichts mehr. Der schwarze Kutscher ließ die Peitsche knallen, und die eisenbeschlagenen Kutschräder kreischten über das Straßenpflaster, als das schwere Vehikel um die Kurve fuhr und Ridley damit seine Sukkuba loswurde. Er bekam ein schlechtes Gewissen, denn ihre Stimme hatte schrecklich mitleiderregend geklungen, bei ihrem letzten, verzweifelten Schrei, aber Ridley wusste, dass es keine andere Lösung gegeben hatte. Zudem, sagte er sich selbst, war die ganze verteufelte Angelegenheit Sallys eigene Schuld, weil sie sich zum Ärgernis gemacht hatte und nur zu einem zu gebrauchen war, aber jetzt war sie weg, und Ridley sagte sich, dass er von Glück reden konnte, sie los zu sein.
Noch immer hatte er Sallys schwere Tasche in der Hand. Er öffnete sie und stellte fest, dass kein Revolver in der Tasche war, sondern nur die einhundert Silberdollar, mit denen er Sallys Schweigen hatte erkaufen wollen. Jede Münze war einzeln in ein Stückchen blaues Tonpapier gewickelt, als hätte jede von ihnen eine ganz besondere Bedeutung, und einen Moment lang war Ridley von dieser kindischen Würdigung gerührt, doch dann wurde ihm klar, dass Sally die Münzen vermutlich eingewickelt hatte, damit sie nicht klimperten und die Aufmerksamkeit von Dieben auf sich zogen. Wie auch immer, die Münzen gehörten nun wieder ihm, und das schien nur richtig so. Er klemmte sich die Tasche unter den Arm, streifte seine Handschuhe über, zog den Schirm seiner Uniformmütze über die Augen, richtete seinen Säbel in einem kecken Winkel aus und schlenderte nach Hause.
«Anscheinend» – Anna griff über den Tisch nach einem Brötchen, brach es entzwei und tauchte die eine Hälfte in die Bratensauce, um diesen Leckerbissen sodann ihren lärmenden Spaniels anzubieten – «hat Truslow eine Tochter, und die Tochter hat sich schwängern lassen, also hat er sie mit irgendeinem armen Jungen verheiratet, und jetzt ist die Tochter weggelaufen, und der Junge ist in der Legion, und Truslow ist wütend.»
«Verdammt wütend», sagte ihr Vater äußerst amüsiert. «Hat den Jungen geprügelt.»
«Der arme Truslow», sagte Adam.
«Der arme Junge.» Anna warf ihren kläffenden, raufenden Hunden ein weiteres Stück Brötchen zu. «Truslow hat ihm das Jochbein gebrochen, das stimmt doch, oder, Papa?»
«Ja, es ist schlimm», bestätigte Faulconer. Der Colonel hatte die Spuren beseitigt, die der missglückte Kavallerieangriff an ihm hinterlassen hatte. Er hatte ein Bad genommen, seinen Bart gestutzt und seine Uniform angelegt, sodass er wieder wie ein verwegener Soldat aussah. «Der Junge heißt Robert Decker», fuhr der Colonel fort, «der Sohn von Tom Decker, erinnerst du dich an ihn, Adam? Ein liederlicher Kerl. Inzwischen ist er anscheinend gestorben, gut, dass wir ihn los sind.»
«Ich erinnere mich an Sally Truslow», sagte Adam müßig. «Ein missmutiges Ding, aber wirklich hübsch.»
«Hast du das Mädchen gesehen, als du bei Truslow warst, Nate?», fragte Faulconer. Der Colonel bemühte sich ernsthaft, Starbuck gegenüber freundlich zu sein, um damit zu zeigen, dass die übellaunige Zurücksetzung der vergangenen Tage vorbei und vergessen war.
«Ich glaube, sie ist mir nicht aufgefallen, Sir.»
«Sie wäre dir aufgefallen», sagte Adam. «Sie ist ziemlich auffällig.»
«Nun ja, jetzt ist sie durchgebrannt», sagte Faulconer, «und Decker weiß nicht, wohin, und Truslow ist verflucht sauer auf ihn. Anscheinend hat er dem glücklichen Paar sein Land geschenkt, und sie haben es einfach in Ropers Obhut gelassen. Erinnerst du dich an Roper, Adam? Er wohnt jetzt dort oben. Der Mann ist ein Gauner, aber bei Pferden macht ihm keiner was vor.»
«Ich glaube nicht, dass sie richtig verheiratet waren.» Anna fand die Misere des unglücklichen Paares viel
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