Starbuck. Der Verräter (German Edition)
Zeichen, dass das Kind vor kurzem gestorben war. Ein anderes zeigte einen jungen Mann in der Artillerieuniform der Konföderierten. «Ein Jammer, dass an diesem Bild kein Trauerflor hängt, was, Jimmy?», sagte Pinkerton, nachdem er sich gesetzt hatte. «Nun, Mr. Starbuck, wie werden Sie genannt? Nathaniel? Nate?»
«Nate, Sir.»
«Und Sie können mich Bulldogge nennen. Das tun alle. Bis auf unseren Jimmy hier, weil er ein viel zu kalter Bostoner Fisch ist, um Spitznamen zu benutzen. Stimmt doch, Jimmy, oder?»
«Ganz recht, Chief», sagte James und lud Starbuck mit einer Geste ein, sich gegenüber von Pinkerton an den kalten Kamin zu setzen. Der Wind heulte im Kamin und trieb Regen an die Fenster hinter den zugezogenen Gardinen.
Pinkerton zog de’Aths gefälschte Nachricht aus seiner Westentasche. «Das sind schlechte Neuigkeiten, Jimmy», sagte der Detective düster. «Es ist genauso, wie ich befürchtet habe. Wir müssen es auf der Rebellenseite jetzt mit hundertfünfzigtausend Mann zu tun haben. Lesen Sie selbst.» James klemmte sich einen Zwicker auf die Nase, nahm den Brief entgegen und hielt ihn unter den Lichtkegel einer Öllampe. Starbuck fragte sich, ob seinem Bruder die nachgemachte Schrift auffallen würde, doch James schnalzte nur kopfschüttelnd mit der Zunge und stimmte offenkundig mit dem Pessimismus seines Vorgesetzten überein.
«Es steht schlecht, Major, sehr schlecht.»
«Und Sie schicken Jackson Verstärkung nach Shenandoah, haben Sie das gelesen?» Pinkerton zog an seiner Pfeife. «Daran sieht man, wie viele Männer sie haben! Sie können es sich leisten, Truppen von der Verteidigung Richmonds abzuziehen. Genau das habe ich befürchtet, Jimmy! Die Halunken versuchen uns seit Monaten davon zu überzeugen, dass sie nur eine kleine Armee haben. Sie wollen uns anlocken, verstehen Sie? Uns ins Land saugen. Um sich dann mit vereinten Kräften auf uns zu stürzen!» Er ahmte zwei Boxhiebe nach. «Mein Gott, ohne diese Nachricht, Jimmy, hätte das auch funktionieren können. Der General wird uns dankbar sein. Und wie er uns dankbar sein wird! Ich werde ihn in ein paar Minuten aufsuchen.» Pinkerton schien beinahe erfreut über die schlechten Neuigkeiten, er wirkte wie elektrisiert. «Aber bevor ich gehe, Nate, erzählen Sie mir, was in Richmond vorgeht. Halten Sie sich nicht zurück, Kamerad. Erzählen Sie mir das Schlimmste, ersparen Sie uns nichts.»
Nach dieser Aufforderung beschrieb Starbuck eine Rebellenhauptstadt, in der sich Soldaten aus jedem Winkel der Konföderation drängten. Er berichtete, dass die Tredegar Iron Works seit Kriegsbeginn Tag und Nacht Kanonen gegossen hatten und dass die Geschütze nun aus den Fabriktoren zu dem neugegrabenen Verteidigungsring um Richmond geschafft würden. Pinkerton hatte sich vorgebeugt, sog jedes Wort eifrig auf und zuckte bei jeder neuen Enthüllung zur Stärke der Rebellen zusammen. James, der danebensaß, schrieb in einem kleinen Notizbuch mit. Keiner der Männer hinterfragte Starbucks Erfindungen, stattdessen schluckten sie seine hanebüchenen Lügen, ohne mit der Wimper zu zucken.
Starbuck endete mit der Bemerkung, dass er in das Richmonder Eisenbahndepot der Petersburg Railroad Züge voller Kisten mit britischen Gewehren habe einfahren sehen, die durch die Blockade der U.S. Navy geschmuggelt worden seien. «Es heißt, dass jetzt jeder Soldat der Rebellen ein modernes Gewehr hat, Sir, und genügend Munition für ein Dutzend Schlachten.»
James runzelte die Stirn. «Die Hälfte der Gefangenen, die wir letzte Woche gemacht haben, waren mit altmodischen Glattrohrmusketen bewaffnet.»
«Das liegt daran, dass sie die neuesten Waffen nicht aus Richmond herauslassen», log Starbuck geschickt. Mit einem Mal genoss er die Situation.
«Sehen Sie, Jimmy? Sie locken uns an! Ködern uns!» Pinkerton schüttelte den Kopf über diese Perfidie der Rebellen. «Sie wollen uns ins Land holen und uns dann schlagen. Bei Gott, ist das gerissen.» Dann paffte er tief in Gedanken versunken an seiner Pfeife. Eine Uhr tickte auf dem Kaminsims, während aus der regnerischen Dunkelheit singende Männerstimmen hereindrangen. Schließlich warf sich Pinkerton in seinem Sessel zurück, als sei es ihm unmöglich, einen Ausweg aus dem Dickicht der Feinde zu finden, das da plötzlich um ihn aufgetaucht war. «Und was Ihren Freund angeht, der diese Mitteilungen schreibt», sagte er und deutete mit seiner Pfeife auf Starbuck, «wie will er uns seine Briefe künftig zukommen
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