Starbuck. Der Verräter (German Edition)
gegeben?»
«Ja, danke. Ich habe sie hier», sagte Starbuck und klopfte auf seine Brusttasche. Die Bibel hatte ihn zusammen mit seiner Uniform in de’Aths Haus erwartet. «Möchtest du sie zurückhaben?»
«Nein! Nein. Ich möchte, dass du sie behältst. Als Geschenk.» James hauchte seine Brillengläser an und polierte sie erneut. «Ich habe Adam gebeten, dich von einer Rückkehr nach Hause zu überzeugen. Natürlich erst, nachdem ich seine wahren Gefühle kannte, was den Krieg angeht.»
«Er hat mich überzeugt», log Starbuck.
James schüttelte den Kopf. «Also gibt es tatsächlich so viele Soldaten im Süden? Ich muss zugeben, dass ich meine Zweifel hatte. Ich dachte, Pinkerton und McClellan sehen Gefahren, wo keine sind, aber ich habe mich geirrt! Nun, mit Gottes Hilfe werden wir siegen, auch wenn es sicher ein harter Kampf wird. Zumindest hast du deine Pflicht getan, Nate, und ich werde es mir zur Aufgabe machen, Vater davon zu erzählen.»
Starbuck lächelte verlegen. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass mir Vater verzeiht.»
«Er verzeiht niemandem so leicht», pflichtete ihm James bei, «aber wenn ich ihm erzähle, wie wertvoll dein Einsatz war, wer weiß? Vielleicht findet er dann einen Weg, um seine Zuneigung wieder wachsen zu lassen.» Wieder beschäftigte er sich mit dem Putzen seiner Brillengläser. «Er ist allerdings immer noch böse, muss ich sagen.»
«Wegen dem Mädchen?», fragte Starbuck unverblümt und meinte damit die Zeit, in der er sowohl vor Yale als auch vor dem Zorn seines Vaters weggelaufen war. «Und dem Geld, das ich gestohlen habe?»
«Ja.» James errötete, dann lächelte er. «Aber selbst Vater kann das Gleichnis vom verlorenen Sohn nicht ignorieren, oder? Und ich werde ihm sagen, dass es an der Zeit ist, dir zu vergeben.» Er hielt inne, gefangen zwischen seinem Wunsch, Gefühle zu zeigen, und einer Erziehung, die ihn gelehrt hatte, keine emotionalen Offenbarungen zuzulassen. Der Wunsch siegte. «Bevor du weg warst, habe ich nicht geahnt, wie sehr du mir fehlen wirst. Du warst immer der Aufsässige, oder? Ich glaube, ich habe deine Herausforderungen nötiger gehabt, als ich wusste. Nachdem du weg warst, dachte ich, wir hätten uns besser verstehen müssen, aber das können wir ja jetzt nachholen.»
«Das ist nett von dir», sagte Starbuck, sehr in Verlegenheit gebracht.
«Komm!» Mit einem Mal rutschte James von seinem Sessel und kniete sich auf den Knüpfteppich. «Sollen wir beten?»
«Ja, natürlich», sagte Starbuck, und zum ersten Mal seit Monaten kniete er sich hin. Sein Bruder betete laut, dankte dem Herrn für die Wiederkehr seines verlorenen Bruders und erflehte Gottes Segen für Nate und Nates Zukunft und die gerechte Sache des Nordens. «Möchtest du vielleicht», sagte James am Schluss, «ein Wort des Gebets hinzufügen, Nate?»
«Nur Amen», sagte Starbuck, und überlegte, wie oft er in den nächsten Tagen noch das Vertrauen anderer missbrauchen musste, wenn er das Versprechen halten wollte, das er Sallys Vater gegeben hatte. «Einfach Amen.»
«Also Amen und nochmals Amen», sagte James. Er lächelte glückstrahlend, denn die Gerechtigkeit hatte gesiegt, ein Sünder war nach Hause zurückgekehrt, und die Ehre einer Familie konnte wiederhergestellt werden.
Die CSS
Virginia
, das Panzerschiff, das man aus dem Rumpf der alten USS
Merrimack
gebaut hatte, war auf Grund gelaufen und verbrannt, als ihr Heimathafen Norfolk aufgegeben wurde. Der Verlust des Rebellen-Panzerschiffs bedeutete, dass die Nordstaatenmarine ungehindert in den James River einfahren konnte, und eine Flotte Kriegsschiffe schob sich flussaufwärts auf Richmond zu. Rebellenbatterien an den Ufern wurden von den Schiffskanonen bezwungen; die enormen Geschosse der flaschenförmigen Dahlgren-Geschütze rissen die regennassen Wälle auseinander, und die kreischenden Hundert-Pfund-Granaten der Parrot-Kanonen zerschmetterten die feuchten Artillerieplattformen und Lafetten. Meile um Meile rückte das Geschwader aus drei Panzerschiffen und zwei hölzernen Kanonenbooten stromauf, die Schiffsbesatzungen gingen davon aus, dass auf dem James River kein Sezessionistenschiff übrig war, das imstande wäre, sie herauszufordern, und sie entdeckten keine Artilleriestellung am Ufer, die stark genug war, um ihr Weiterkommen aufzuhalten.
Sechs Meilen südlich von Richmond, wo der James River einen beinahe rechten Winkel beschrieb, um danach nordwärts bis durchs Zentrum der Stadt zu führen, war noch ein
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