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Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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doch man konnte die Kronleuchter erkennen, die in den Räumen dahinter hingen. Die Eingangstür glänzte in der ungewohnt strahlenden Sonne. Mit einem Mal hätte Julia am liebsten die Straße überquert und den polierten Messingglockenzug betätigt, doch dann fand sie, mit zwei blutigen Hasen in ein Haus zu kommen, selbst wenn es sich um ein übel beleumundetes Haus handelte, wäre wohl kaum der beste Beginn einer Seelenrettung. Und nur aus diesem Grund, beteuerte sie sich selbst, wollte sie Sally überhaupt besuchen.
    Sie ging weiter heimwärts, an verschlossenen und verbarrikadierten Häusern vorbei, deren Bewohner vor den Yankees geflohen waren. Die Stadt war nun sicherer, denn aufgrund der Evakuierung hatte die Armee die Patrouillen der Militärpolizei verstärkt, um die ansonsten ungeschützten Häuser zu bewachen. Weitere Patrouillen hatten in den ärmeren Vierteln der Stadt nach Deserteuren gesucht, und in den Zeitungen stand, dass die Behörden Jagd auf Spione machten, die vorhatten, die Konföderation zu verraten. Die Stadt war erfüllt von Gerüchten und Angst, und nun zitterte sie unter dem Donner von Kanonen. Der Feind stand vor den Toren.
    Julia kam an ihr Elternhaus. Sie blieb einen Moment lang stehen und lauschte auf das dumpfe Trommeln der schweren Geschütze, die auf dem Fluss abgefeuert wurden, und sie schloss die Augen und betete darum, dass alle jungen Männer sicher nach Hause kamen. Ungerufen hatte sie dabei mit einem Mal Starbucks Gesicht vor Augen und war so überrascht darüber, dass sie in Gelächter ausbrach. Dann trug sie die Hasen hinein und schloss die Tür vor den Geräuschen des Krieges.
     
    Belvedere Delaneys Brief an Lieutenant Colonel Thorne blieb eine ganze Woche lang in seinem Versteck in dem Schusterladen am Bahnhof von Catlett. Jeden Tag legte der Schuhmacher ein paar weitere Briefe in das Versteck, bis er schließlich genügend beisammenhatte, damit sich die Fahrt lohnte. Dann, nachdem er sechzehn Briefe an Colonel Thorne in einen großen Umschlag gesteckt und ihn versiegelt hatte, schloss er seine Werkstatt ab und erklärte seinen Freunden, er würde weiter entfernt wohnenden Kunden reparierte Schuhe zurückbringen. Mit einer schweren Tasche, in deren Futter die geheimen Briefe versteckt waren, ging er nordwärts. Nachdem er seinen Bezirk verlassen hatte, ging er nur noch nachts weiter und achtete darauf, den Patrouillen berittener Partisanen auszuweichen, die dafür berüchtigt waren, freie Schwarze, ob mit oder ohne Passierschein, am nächsten Baum aufzuknüpfen.
    Er brauchte zwei Nächte, um die Linien der Union südlich des Potomacs zu erreichen, wo er einfach in ein Lager der Infanterie aus Pennsylvania schlenderte. «Suchst du Arbeit, Sambo?», rief ihn ein Sergeant an.
    «Bloß die Poststelle, Sir.» Der Schuster zog den Hut und senkte ehrerbietig den Kopf.
    «Bei der Krämerbude steht ein Postwagen, aber ich behalte dich im Auge! Wenn du irgendwas klaust, du schwarzer Bastard, benutzen meine Männer deinen Balg für Schießübungen!»
    «Ja, Sir! Ich tue nichts, Sir! Danke, Sir!»
    Der Schreiber vom Postdienst nahm den großen Umschlag, frankierte ihn, schob das Wechselgeld über den Tisch und erklärte dem Schuhmacher, er solle sich verziehen. Am nächsten Tag wurden die sechzehn Briefe auf Lieutenant Colonel Thornes Schreibtisch in der Generalinspektion in Washington D.C. gelegt, wo sie mit über einhundert anderen Briefen darauf warteten, dass ihnen der Colonel seine Aufmerksamkeit widmete. Das Büro des Colonels war beklagenswert unterbesetzt, denn die Generalinspektion war durch die schnelle Vergrößerung der U.S. Army zwangsläufig eine bequeme Stelle geworden, an die man Aufgaben delegieren konnte, zu deren Erledigung andere Abteilungen entweder nicht imstande oder nicht willens waren. Zu diesen Aufgaben gehörte die Einschätzung von Geheiminformationen, die aus der Konföderation eintrafen, eine Arbeit, die im Büro des Geheimdienstes möglicherweise fachgerechter ausgeführt worden wäre, doch nicht jeder bei der U.S.-Regierung teilte General McClellans Vertrauen in Detective Pinkerton, und so hatte sich in Washington ein gesonderter Geheimdienst entwickelt, der, wie jede andere verwaiste Aufgabe, in der Generalinspektion angesiedelt worden war.
    Es war diese planlose Delegation von Verantwortlichkeiten, die Belvedere Delaneys ursprüngliches Unterstützungsangebot auf den Schreibtisch Lieutenant Colonel Thornes geleitet hatte. Seitdem schickte Delaney,

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