Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
gegnerische Granate steigerte das Grauen noch, denn sie raste durch die offene Geschützpforte und tötete zwei Männer, die einen Löschschlauch nach achtern zogen. Flammen brüllten durchs Kanonendeck und trieben die Geschützmannschaften aufs Achterdeck, wo sie leichte Ziele für die Scharfschützen am Ufer waren. Mit Hilfe der Schiffspumpen wurde das Feuer unter Kontrolle gebracht, aber erst, als die
Naugatuck
, wie die
Galena
und die
Monitor
, mit der Strömung aus der Reichweite der gegnerischen Kanonen getrieben war. Die zwei kleineren Kanonenboote feuerten auf große Distanz, doch ihre Kapitäne wagten es nicht, die empfindlichen Holzrümpfe in die Nähe der unbeschädigten schweren Geschütze auf Drewry’s Bluff zu steuern, und so ließ sich die gesamte Flottille Zoll für Zoll, als wollten die Nordstaatler ihre Niederlage nicht eingestehen, flussabwärts zurückfallen.
    In Richmond klangen die Kanonen wie ein Sommergewitter. Sie ließen die Fensterläden klappern und die bunten Essenzen erzittern, die in langhalsigen Flakons im Schaufenster von Monsieur Ducquesnes Friseursalon ausgestellt waren. Die zwölfhundert Sklaven, die auf den höllischen fünf Morgen der Tredegar Iron Works schufteten, feuerten in Gedanken die Angreifer an, während ihre Aufseher nervöse Blicke durch die schmierigen Fenster warfen, als erwarteten sie, dort um die Flussschleife bei Rocket’s Landing eine monströse Flotte Yankee-Panzerschiffe herandampfen zu sehen, die mit ihren Schornsteinen den Himmel verdunkelte und ihre schweren Geschütze ausrichtete, um der Hauptstadt der Sezession das Herz herauszureißen. Doch bei der Flussschleife rührte sich nichts außer dem Wasser, über das der Wind spielte. Die Kanonen krachten weiter, ihr Geräusch hallte gedämpft durch den langen, heißen Vormittag.
    Das Geräusch verlieh auch einem Treffen der freien Bürgerschaft Dringlichkeit, das am Fuß der großen Treppe des Parlamentsgebäudes einberufen worden war. Oben auf der Treppe, umrahmt und geadelt von den Säulen der Jefferson’schen Architektur, legten der Bürgermeister von Richmond und der Gouverneur von Virginia heilige Eide ab, dass sich die Stadt niemals ergeben würde, solange sie noch einen Atemzug taten und noch einen Funken Stolz besaßen. Sie schworen, um jeden Straßenzug zu kämpfen, um jedes Haus, und sie versprachen, dass der James River eher rot vor Yankee-Blut sein würde, als dass sich die Hauptstadt Virginias der Tyrannei des Nordens ergab. Die schwerbewaffnete Menge stimmte jubelnd zu.
    Julia Gordon, die auf dem Markt in der Union Street ein gutes Damasttischtuch aus der Aussteuer ihrer Mutter gegen zwei gehäutete Hasen eingetauscht hatte und nun mit ihnen auf dem Heimweg war, hielt am Rand der Menge an und hörte den Rednern zu. In den Pausen zwischen dem Beifall registrierte sie, wie der Kanonendonner anzuschwellen und abzuebben, wegzuziehen und nachzuhallen schien wie ein fernes Gewitter. Ein bekannter Kongressabgeordneter der Konföderierten hatte zu reden begonnen. Als Vorlage benutzte er einen Artikel des
New York Herald
, der berichtete, wie die Bürger Albanys, der Hauptstadt des Staates New York, den bevorstehenden Sieg des Nordens über die Sezession feierten. Auf den Straßen des Nordens würde getanzt, behauptete der Kongressabgeordnete, denn die selbstgefälligen Nordstaatler hielten ihren Krieg schon für gewonnen. Und warum glauben sie das?, fragte der Redner. Weil der große McClellan auf Richmond marschiere. «Und wird McClellan gewinnen?», brüllte der Kongressabgeordnete.
    «Nein!», brüllte die Menge zurück.
    Der neue Napoleon, sagte der Redner, werde sein Waterloo erleben, und der Tanz auf den Straßen Albanys werde sich in den schleppenden Gang Trauernder verwandeln. Die Kapellen würden verstummen, um gedämpftem Trommelschlag Raum zu geben, und statt bunter Harlekine werde man jammernde Witwen sehen. Denn für jeden tapferen Helden, der auf Richmonds Hollywood-Friedhof beerdigt lag, so versprach der Redner, würden im Norden zwanzig Leichen bestattet werden, und für jede Träne, die eine Südstaatenwitwe weinte, werde man in der verhassten Union einen ganzen Kübel voller Tränen vergießen. Richmond werde sich nicht ergeben, der Süden werde sich nicht unterwerfen, der Krieg sei nicht verloren. Die Menge jubelte, und die fernen Kanonen grollten.
    Julia ging langsam weiter, die zwei blutigen, tropfenden Kadaver in der Hand. Sie umrundete die Menge und nahm den Pfad, der hinunter

Weitere Kostenlose Bücher