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Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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schüttelte gerade Truslows schmutzige Hand, als die Brücke hinter ihnen explodierte. Dreihundert Pfund Schwarzpulver ließen die Gerüstbalken zersplittern und alte Holzpfähle durch die Luft wirbeln. Rauch und Lärm zogen über die Marschen und schreckten Wildvögel aus dem Schilf auf. Das Wasser des Flusses schien sich vor der Explosion zurückzuziehen, dann strömte es in einem riesigen Schwall zurück und jagte dem Rauch eine quellende Wolke aus Wasserdampf hinterher. Wo eine Brücke gestanden hatte, befand sich jetzt nur noch eine Reihe angebrochener, geschwärzter Stümpfe in dem strudelnden Wasser, während auf beiden Seiten der Explosion die Trümmer in den Chickahominy stürzten oder in die stehenden Marschentümpel, sodass die Wasserottern und Mokassinschlangen Reißaus nahmen.
    Ein Stück Holz wurde hoch in die Luft geschleudert, und als es wieder abstürzte, raste es zielsicher auf die Bahnschwelle herab, die Truslow mit solcher Sorgfalt auf dem Stein ausbalanciert hatte. Der Aufprall des Holzes schlug die Schwelle auf das Zündhütchen, die Granate darunter explodierte und riss einen kleinen Krater in den durchnässten Damm. «Verfluchter Scheißer», sagte Truslow und meinte offenkundig den Sprengsatz, für den er so viel Mühe vergeblich aufgewendet hatte, aber Major Bird sah, dass der Sergeant lächelte. Solche Freude, dachte er, konnte in Kriegszeiten nicht hoch genug geschätzt werden. Am einen Tag konnte man noch lachen und fröhlich sein, doch schon der nächste konnte das bringen, was die Pfarrer die lange, dunkle Heimstatt unter der Erde nannten. Und der Gedanke an solche Gräber erfüllte Bird auf einmal mit Panik. Was wäre, wenn Truslow nicht lange genug am Leben bleiben würde, um seine Sally wiederzusehen? Was wäre, wenn seine eigene teure Priscilla zur Witwe würde? Diese Vorstellung ließ in Bird die Befürchtung aufkommen, dass er nicht hart genug war, um Soldat zu sein. Denn für Bird war der Krieg ein Spiel, obwohl er oft genug voll Sarkasmus das Gegenteil predigte. Der Krieg war für Bird ein geistiger Wettstreit, in dem der unbeachtete Schulmeister beweisen würde, dass er klüger und findiger und schneller und besser war als alle anderen. Wenn aber die wachsgesichtigen Toten als düstere Anklage nebeneinander aufgereiht lagen und der Blick aus ihren verquollenen, dreckverschmierten Gesichtern den schlauen Bird fragte, warum sie hatten sterben müssen, wusste er keine Antwort.
    Die beiden Yankee-Kanonen feuerten ein letztes, unnützes Mal, und ihre Granaten schlugen klatschend in die Marschen ein. Der aufgewühlte Fluss beruhigte sich, bis das Wasser wieder langsam und grau an den rauchgeschwärzten Überresten der Brücke vorbeifloss, um seine tote Fracht aus weißbäuchigen Fischen Richtung Meer zu tragen. Nebel kroch über das Feuchtgebiet und vermischte sich mit dem Kanonenrauch. Die Wälder waren voller Nachtschwalben, und Major Bird, der nicht an Gott glaubte, bat plötzlich den Allmächtigen, diesem gottverdammten Krieg ein Ende zu machen.

Dritter Teil

Neun
    D ie Truppen kamen in einer Kurve zum Halt, die nordöstlich um Richmond verlief. General Johnston hatte sich nun so weit zurückgezogen, dass die Soldaten der Nordstaaten den Glockenschlag der Richmonder Kirchtürme hören konnten, und, wenn der Wind aus Westen kam, rochen sie auch den Tabakgeruch und den Kohlenrauch der Stadt.
    Die Richmonder Presse kritisierte, dass die Yankees so dicht an die Stadt herangelassen worden waren, und die Ärzte beider Seiten murrten, weil so viele Truppen im ungesunden Marschland des Chickahominy lagerten. Die Hospitäler füllten sich mit Männern, die am Flussfieber starben, einer Krankheit, die ihre Opfer vor Kälte unkontrollierbar zittern ließ, obwohl die Tage wärmer wurden und bald stickige Sommerhitze herrschen würde. Die Ärzte erklärten, das Fieber sei eine natürliche Folge der unsichtbaren Miasmen, die als üble, krankheitserregende Nebelschwaden vom Fluss heranzogen und in der Morgen- und Abenddämmerung weiß über den Marschen standen, und man müsse die Truppen nur an einen höheren Standort verlegen, dann würde das Fieber verschwinden. Aber General Johnston beharrte auf dem Standpunkt, das Schicksal Richmonds hinge von dem Fluss ab und deshalb müssten seine Männer die Miasmen ertragen, die der Nebel mitbrachte. Dahinter stecke eine Strategie, betonte Johnston, und angesichts dieser militärischen Vokabel blieb den Ärzten nichts anderes übrig, als ihre

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