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Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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versiegelten Befehlsschreiben zu den Divisionsgenerälen bringen. Adam Faulconer erhielt Weisung, zu General Hugers Hauptquartier zu reiten, das beinahe am Stadtrand von Richmond lag. «Eine Abschrift der Befehle», sagte Johnstons Stabsschef, ein umgänglicher Mann namens Morton, zu Adam, als er ihm das versiegelte Schreiben aushändigte. «Und hier Ihre Unterschrift, Adam.» Colonel Morton hielt einen Empfangsschein hoch, auf dem Adam bestätigte, dass er den Umschlag entgegengenommen hatte. «Und Huger lassen Sie hier unterschreiben, sehen Sie? Der alte Huger wird Sie vermutlich zum Abendessen einladen, aber sehen Sie zu, dass Sie um Mitternacht wieder zurück sind. Und sorgen Sie um Himmels willen dafür, Adam, dass er weiß, was er morgen früh zu tun hat.» Das war der Grund, aus dem Johnston seinen Adjutanten die Strategie ausführlich erläutert hatte; so konnten sie selbst die Fragen der Generäle beantworten. Wenn er die Generäle zu sich ins Hauptquartier geholt hätte, das wusste Johnston, wäre bei den Truppen die plötzliche Unruhe aufgefallen, und dann wäre garantiert irgendein erbärmlicher Kerl nachts zum Feind übergelaufen, um zu sagen, dass sich etwas zusammenbraute.
    Adam unterschrieb den Empfangsschein und bestätigte damit, dass er die Verantwortung für eine Abschrift der Befehle übernommen hatte, dann schob er die Papiere in eine kleine Ledertasche an seinem Gürtel. «An Ihrer Stelle würde ich mich auf den Weg machen», sagte Colonel Morton, «bevor es anfängt zu regnen. Und sorgen Sie dafür, dass Huger diesen Empfangsschein abzeichnet, Adam! Entweder er oder sein Stabschef. Sonst niemand.»
    Adam wartete draußen auf der Veranda, während sein Pferd gesattelt wurde. Kein Lüftchen wehte, drückend stand die Luft, und diese Atmosphäre passte zu Adams grüblerischer und niedergeschlagener Stimmung. Er betastete den wichtigen Befehl, fragte sich, ob dieser Umschlag das Ende all seiner Hoffnungen bedeutete. Vielleicht, dachte er, war der Umschlag der Schlüssel zum Sieg des Südens, und er stellte sich vor, wie die Nordstaatenarmee genau wie beim Bull Run flüchtete, und in seinen Befürchtungen sah er von Panik erfüllte Männer, die sich durch die brusthohen Tümpel des White-Oak-Sumpfs kämpften und die von niederträchtigen, schadenfrohen Rebellen erschossen wurden, genau wie die lachenden Teufel, die von der Kuppe des Ball’s Bluff heruntergefeuert hatten. Er sah einen blutroten Chickahominy in den James River münden und erschauerte bei den realistischen Bildern, die ihm seine Phantasie eingab, und eine irrwitzige Sekunde lang war er versucht, sein Pferd zu nehmen und durch die Linien zu galoppieren, dem Tier die Sporen zu geben, bis seine Flanken wund waren, während er an den überraschten Wachposten der Konföderierten vorbeipreschte und zur Nordenstaatenarmee überlief. Dann dachte er an den Kummer, den er seinem Vater mit einer solchen Fahnenflucht bereiten würde, und er dachte an Julia in Richmond, und die ganze alte Verwirrung nahm erneut von Adam Besitz. Der Krieg war falsch, dennoch war er ein Faulconer und damit Erbe einer Familie, deren Vorfahren an der Seite George Washingtons in die Schlacht geritten waren. Ein Faulconer machte seiner Abstammung keine Schande, indem er zum Feind desertierte.
    Nur wie konnte das Land, das von Washington gegründet worden war, auf einmal der Feind sein?
    Adam fingerte an der Gürteltasche herum und fragte sich zum tausendsten Mal, warum der neue Napoleon so lange zögerte. Adam hatte die Schwäche des Südens auf der Halbinsel verraten, und als Reaktion hatte er erwartet, dass McClellan aus Fort Monroe ausbrechen würde wie ein Racheengel, doch stattdessen hatte der Kommandant der Nordstaatenarmee ein langsames, behutsames Vorrücken gewählt und damit den Rebellen mehr als genug Zeit gegeben, die Verteidigungsanlagen von Richmond zu verstärken und auszubauen. Und jetzt, wo der Norden nur noch einen Nachmittagsspaziergang vor Richmond lag, planten die Rebellen einen Angriff, der dem Norden den Todesstoß versetzen konnte, und Adam, der auf der Veranda stand und nachtschwarze Wolken unheilverkündend über dem schweigenden Wald stehen sah, wusste, dass er außerstande war, die Katastrophe abzuwenden. Sein Mut reichte nicht, um zu desertieren.
    «Adam! Bleiben Sie noch!» Colonel Morton steckte seinen Kopf zwischen den Musselinvorhängen eines Fensters am anderen Ende der Veranda heraus. «Wir geben Ihnen noch einen anderen Brief

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