Starbuck. Der Verräter (German Edition)
Kerl hat gezuckt wie ein Fisch auf dem Trockenen. Es hat mich drei Schüsse gekostet und dann volle zwei Wochen, bis ich sein Blut aus meinen Stiefelnähten heraus hatte. Schmutzige Sache, diese Erschießungskommandos. Alles in Ordnung mit Ihnen?»
«Mir geht es bestens», sagte Starbuck, und das stimmte auch. Die Unterhaltung mit Lassan lenkte ihn von seinen Sorgen über de’Aths Tod ab.
Lassan lachte über Starbucks demonstrative Gelassenheit. Die Straße hatte sie in einen düsteren, feuchten Waldabschnitt geführt, in dem Schlingpflanzen von den Ästen hingen und trübe Tümpel einen fauligen Geruch verbreiteten. Die Straße verlief hier als Bohlenweg, was den Pferden das Weiterkommen erschwerte, und zwar so sehr, dass Lassan nach einer Weile vorschlug, abzusteigen und die Pferde am Zügel zu führen. Er erzählte vom Krimkrieg und der Verbohrtheit der Generäle, dann von 1832 , dem Jahr, in dem er als Offizierskadett in die französische Armee eingetreten war. «Mein Vater wollte, dass ich zur britischen Armee gehe. Du solltest zum Schützenbataillon, erklärte er mir, das sind die Besten der Besten, aber meine Mutter wollte, dass ich bei den Franzosen Kavallerist werde. Ich habe mich für die Franzosen entschieden.»
«Warum?»
«Weil ich in ein Mädchen verliebt war, dessen Eltern in Paris wohnten, und ich dachte mir, wenn ich auf die Militärakademie Saint Cyr ginge, könnte ich meine Angebetete verführen, wenn ich dagegen nach England ginge, würde ich sie nie wiedersehen.»
Starbuck dachte an Mademoiselle Dominique Demarest aus New Orleans, die ordinäre Schauspielerin und Hure, die ihn dazu verführt hatte, der Universität von Yale den Rücken zu kehren und mit einem Wandertheater fortzulaufen. Er fragte sich, wo Dominique jetzt wohl sein mochte und ob er sie jemals wiedersehen würde, damit er seine Rechnung mit ihr begleichen konnte. Dann ging ihm plötzlich auf, dass er keinen Groll gegen Dominique hegte. Sie hatte ihn nur dazu gebracht zu tun, was er hatte tun wollen, und das war die Flucht vor den Fesseln gewesen, als die er seine Familienbande empfand. «Was ist aus Ihrer Angebeteten geworden», fragte Starbuck.
«Sie hat einen Tuchhändler in Soissons geheiratet», sagte Lassan. «Und inzwischen weiß ich kaum noch, wie sie aussah.»
«Hat sich Ihr Vater sehr geärgert?»
«Nur über meinen Frauengeschmack. Er sagte, da habe er schon in einem Ochsengespann hübschere Gesichter gesehen.» Lassan lachte wieder. «Aber ich habe meine Wahl aus Liebe getroffen, verstehen Sie, und ich bereue es nicht. Und wenn ich mich für den anderen Weg entschieden hätte, würde ich es vielleicht ebenfalls nicht bereuen. Es gibt kein perfektes Leben, aber eine verdammt gute Zeit, die auf alle wartet, die den Mut haben, sich diesem Leben zu stellen. Und Mut ist genau das, was wir jetzt brauchen,
mon ami
.» Lassan deutete auf die Brücke, die gerade in Sicht gekommen war. «Wenn wir diese Brücke überquert haben, müssen wir nur noch die Kugeln und Granaten von zwei Armeen überleben.»
Die Brücke war eine armselige Angelegenheit. Der schlammüberzogene Bohlenweg führte geradewegs durch ein Sumpfareal mit stehenden Gewässern, dann schien er sich als Brücke einen oder zwei Fuß über den übelriechenden, trägen Fluss zu erheben, bevor er sich auf dem südlichen Ufer wieder zu einem ekelhaften Streifen Moorland senkte. Die leichte Hebung wurde von vier Pontons gewährt, mit Zinkblech beschlagenen, flachen Holzkähnen, die den Bohlenweg über den Fluss stützten. Die Pontons wurden von enorm langen Tauen an Ort und Stelle gehalten, die hinten im Wald an Bäumen festgeknotet waren, doch es war offensichtlich, dass es mit der komplizierten Anordnung aus Tauen, Pontons, Flaschenzügen und Bohlenweg Probleme gab. Der Sturm des Vorabends hatte den Pegel des Flusses steigen lassen und eine Masse Treibgut angeschwemmt, das sich an der Brücke verfangen und die Festmachertaue so sehr gedehnt hatte, dass sich der Bohlenweg nun prekär flussabwärts wölbte. Die Gefahr, dass der Wasserdruck und das Treibgut die Taue reißen lassen und damit die Brücke zerstören könnten, war nicht zu übersehen. Um das zu verhindern, standen rund zwanzig unglückselige Soldaten der Pioniereinheit bis zur Brust in dem strömenden, brackigen Wasser und versuchten, die Brücke von dem Treibgut zu befreien und die Festhaltetaue nachzuspannen.
«Da können Sie nicht rüber!», rief ein Pionier in Hemdsärmeln Lassan und Starbuck zu,
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