Starbuck. Der Verräter (German Edition)
auf dem Exerzierfeld. «Lasst euch Zeit, Jungs! Wer zappelig wird, macht Fehler.» Der letzte Satz galt einem Mann, der vor Aufregung das Bajonett hatte fallen lassen. Dann überprüfte Truslow, ob das Bajonett eines anderen Mannes auch fest genug über der Mündung seines Gewehrs saß. Hutton und Mallory, die beiden anderen Sergeanten der Kompanie, überprüften ihre Abteilungen auf die gleiche Weise.
«Captain!», rief einer von Huttons Männern. Es war Corporal Peter Waggoner, dessen Zwillingsbruder ebenfalls Corporal in der Kompanie war. «Bleiben Sie oder gehen Sie, Captain?» Peter Waggoner war ein großer, schwerfälliger Mann von tiefer Frömmigkeit und glühenden Überzeugungen.
«Ich gehe dort hinüber», sagte Starbuck und deutete über die Lichtung. Er hatte Waggoners Frage absichtlich missverstanden.
«Sie wissen, was ich meine», sagte Waggoner, und die meisten anderen Männer in der Kompanie wussten es auch, denn sie schauten ihren Captain erwartungsvoll an. Sie wussten, dass Nathan Evans ihm einen Posten angeboten hatte, und viele befürchteten, dass eine Stabsstelle für einen vielversprechenden jungen Yankee wie Starbuck sehr verlockend sein könnte.
«Glauben Sie immer noch, dass Leute, die Whiskey trinken, zur Hölle fahren, Peter?», fragte Starbuck den Corporal.
«Das ist nun einmal die Wahrheit, oder?», sagte Waggoner ernst. «Gottes Wahrheit, Mr. Starbuck. Wisset, dass eure Sünde euch finden wird.»
«Ich habe beschlossen, so lange hierzubleiben, bis Sie und Ihr Bruder sich mit mir betrinken, Peter», gab Starbuck zurück. Es dauerte eine Sekunde, dann hatten die Männer den Satz begriffen und brachen in Jubel aus.
«Ruhe!», blaffte Truslow.
Starbuck blickte wieder zur gegnerischen Seite der Lichtung hinüber. Er wusste nicht, warum ihn seine Männer mochten, aber ihre Zuneigung rührte ihn tief, so sehr, dass er lieber den Blick abwandte, als seine Gefühle zu zeigen. Bei seiner Beförderung zu ihrem Captain hatte er gewusst, dass die Männer ihn akzeptierten, weil er Truslows Anerkennung besaß, doch seitdem hatten sie auch festgestellt, dass ihr Yankee-Offizier ein findiger, leidenschaftlicher und kämpferischer Mann war. Er war nicht immer freundlich, nicht wie einige der anderen Offiziere, die sich genauso benahmen wie die Männer unter ihrem Kommando, aber die Kompanie K sah Starbucks verschlossene und kühle Art als typischen Wesenszug eines Nordstaatlers. Jeder wusste schließlich, dass die Yankees verschroben und kalt wie die Fische waren, und am seltsamsten und frostigsten von ihnen waren die Bostoner. Aber sie hatten auch erlebt, dass Starbuck seine Männer mit glühendem Einsatz schützte und bereit war, sämtlichen Instanzen der Konföderation die Stirn zu bieten, wenn es darum ging, einem Mann aus seiner Kompanie Ärger zu ersparen. Sie hatten außerdem das Gefühl, Starbuck sei ein Spitzbube, und das ließ sie glauben, er sei vom Glück begünstigt, und wie allen Soldaten war ihnen ein vom Glück begünstigter Kommandeur lieber als jeder andere. «Bleiben Sie wirklich, Sir?», fragte Robert Decker.
«Ich bleibe wirklich, Robert. Und jetzt mach dich bereit.»
«Ich bin bereit», sagte Decker und grinste vor Freude. Er war der jüngste unter den siebenundfünfzig Männern der Kompanie, die nahezu alle aus Faulconer County stammten, wo sie bei Thaddeus Bird die Schulbank gedrückt hatten, von Doctor Danson behandelt wurden, bei Reverend Moss die Predigt hörten und wahrscheinlich von Washington Faulconer angestellt worden waren. Eine Handvoll war in ihren Vierzigern, einige in den Zwanzigern oder Dreißigern, aber die meisten waren siebzehn, achtzehn oder neunzehn Jahre alt. Sie waren Brüder, Cousins, verschwägert, Freunde und Gegner, es gab niemanden unter ihnen, der nicht alle anderen kannte, und alle kannten die Häuser der anderen und ihre Schwestern und Mütter und Hunde und Hoffnungen und Schwächen. Für einen Fremden mochten sie so wild und ungepflegt wirken wie ein Rudel Jagdhunde nach einem Regentag, doch Starbuck kannte sie besser. Einige, wie die Waggoner-Zwillinge, waren tiefgläubig, lasen allabendlich mit anderen Soldaten das Evangelium und beteten für das Seelenheil ihres Captains, während andere, wie Edward Hunt und Abram Statham, Gauner waren, denen man keinen Millimeter weit trauen durfte. Robert Decker, der aus dem gleichen hochgelegenen Blue Ridge Valley stammte wie Sergeant Truslow, war ein liebenswürdiger, schwerarbeitender,
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