Starbuck. Der Verräter (German Edition)
Starbuck hatte gewollt, dass sie in einer gleichmäßigen Linie auf die Flanke der Yankees vorrückten, aber die Männer hatten beschlossen, in kleinen, beweglichen Gruppen zu stürmen, und ihre Begeisterung wog die Ungeordnetheit ihres Einsatzes auf. Starbuck stürmte mit ihnen, ohne sich bewusst zu machen, dass er den hohen, schrillen Kampfschrei der Rebellen angestimmt hatte. Thomas Truslow war links von ihm, er hielt sein Jagdmesser mit der Neunzehn-Zoll-Klinge in der Hand. Die meisten Männer der Legion hatten zuvor ebenfalls solche gefährlich aussehenden Klingen mit sich geführt, aber das Gewicht der klobigen Messer hatte so gut wie alle Soldaten dazu gebracht, sie zurückzulassen. Truslow aber hatte seines aus Perversität behalten, und es war zu seiner bevorzugten Waffe geworden. Als Einziger in der Kompanie rückte er schweigend vor, als sei die Aufgabe, die vor ihnen lag, viel zu ernst, um laut herumzubrüllen. Starbuck sah die ersten Yankees. Zwei Männer nutzten einen umgestürzten Baum als Feuerstellung. Der eine lud nach, rammte den langen Ladestock in den Gewehrlauf, während sein Kamerad über den Stamm hinweg anlegte. Der Mann feuerte, und Starbuck sah, wie der Rückstoß die Schulter des Mannes erbeben ließ, und er sah die funkensprühende Rauchwolke, als das Zündhütchen explodierte. Im Wald hinter den beiden Männern schien es mit einem Mal von blauen Uniformen zu wimmeln, und merkwürdigerweise hingen da auch graue Uniformmäntel von den Ästen der Bäume herab und zuckten, wenn sie von Rebellenkugeln getroffen wurden. «Tötet sie!», schrie Starbuck, und die beiden Männer hinter dem umgestürzten Baum starrten entsetzt auf die angreifenden Rebellen. Der Mann, der sein Gewehr nachgeladen hatte, wandte sich Starbuck zu, zielte und drückte den Abzug durch, doch in seiner Panik hatte er vergessen, das Gewehr schussbereit zu machen. Der Hahn fiel mit einem Klicken auf den nackten Stahl. Der Mann rappelte sich auf und rannte an einem Offizier vorbei, der mit gezogenem Schwert und fassungsloser Bestürzung auf dem schnurrbärtigen Gesicht im Wald stand. Als Starbuck die Miene des Offiziers sah, wusste er, dass er das Richtige getan hatte. «Tötet sie!», schrie er wieder, ohne darüber nachzudenken, was für blutrünstige Worte er da ausstieß. Er war einfach nur von dem Hochgefühl eines Mannes erfüllt, der den Gegner überlistet und damit seinen Willen auf dem Schlachtfeld durchgesetzt hat. Dieses Gefühl war berauschend, es erfüllte ihn mit fieberhafter Erregung. «Tötet sie!», schrie er noch einmal, und dieses Mal schienen seine Worte die gesamte Flanke der Yankees in die Auflösung zu treiben.
Die Nordstaatler flohen. Einige sprangen über den Rand des Steilufers und schlitterten den Hang hinunter, die meisten aber rannten an der Gefechtslinie zurück zur Hügelkuppe, und ihre Flucht trieb noch mehr Männer zum Davonlaufen an, und ihr Rückzug wurde immer beengter und ungeordneter. Starbuck stolperte über einen Verwundeten, der grauenvoll schrie, und lief dann auf die Lichtung, auf der die Kanone aus Rhode Island ihre gezackte Furche bis über den Rand des Steilufers gepflügt hatte. Er sprang auf eine Munitionskiste und brüllte den Männern, die vor ihm flüchteten, weiter seine Herausforderungen nach.
Nicht alle Nordstaatler liefen weg. Viele Offiziere hielten ihre Pflicht für wichtiger als ihre Sicherheit und blieben mit einer Tapferkeit, die an Selbstmord grenzte, um dem Flankenangriff der Rebellen Widerstand zu leisten. Ein Lieutenant hob ganz ruhig seinen Revolver, zielte und feuerte ein einziges Mal, dann ging er unter den Stichen zweier Bajonette zu Boden. Noch im Sterben versuchte er den Revolver erneut abzufeuern, dann schoss ihm ein dritter Rebell eine Kugel in den Kopf, dass das Blut spritzte. Der Lieutenant starb, doch die beiden Männer mit den Bajonetten zerfleischten seine Leiche weiter mit der Wildheit von Jagdhunden, die über einen gestürzten Bock herfallen. Starbuck rief seinen Männern zu, sie sollten von dem Toten ablassen und weiterstürmen. Er wollte den Yankees keine Zeit lassen, um sich zu sammeln.
Adam Faulconer ritt auf die sonnenbeschienene Lichtung und befahl den übrigen Männern der Legion, die Lichtung zu überqueren und sich Starbucks Kompanie anzuschließen. Major Bird führte die Fahneneinheit in den Wald hinüber, in dem die schrillen Rebellenschreie, die Gewehrschüsse und die gebrüllten Befehle der Nordstaaten-Offiziere widerhallten. In
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