Starbuck. Der Verräter (German Edition)
unterbreitete seiner Zuhörerschaft die Erzählung von einer abgewendeten Katastrophe und einem Sieg, der im Angesicht einer sicher scheinenden Niederlage errungen worden war, und sein Bericht wurde dramatisiert und untermalt von einer kleinen Gruppe verwundeter Musiker, die patriotische Lieder spielten und, an den aufregenderen Stellen der Erzählung, das Signalhorn bliesen, sodass die Zuhörer den Eindruck hatten, vor den dunklen Fenstern der Vortragssäle zögen Geisterarmeen vorbei. Dann, wenn die Geschichte ihren Höhepunkt erreichte und das gesamte Schicksal der Konföderierten am seidenen Faden hing, legte Faulconer eine Pause ein, in der eine kleine Trommel Musketenfeuer und eine große Trommel die hallenden Echos ferner Kanonenschüsse imitierte, und dann berichtete Faulconer von dem Heldenmut, der jenen Tag gerettet hatte. Anschließend brandete Beifall auf und übertönte die nachgeahmten Kanonenschüsse der Trommler. Das Heldentum der Südstaatler hatte über die stumpfsinnige militärische Überlegenheit der Yankees triumphiert, und Faulconer lächelte bescheiden, während die Zuhörer jubelten.
Nicht dass Faulconer je behauptet hätte, der Held von Manassas zu sein, doch sein Kampfbericht stand auch nicht unbedingt im Widerspruch zu dieser Annahme. Wenn er gefragt wurde, was er persönlich getan hatte, verweigerte Faulconer eine Antwort und sagte stattdessen, dass einem Soldaten Bescheidenheit wohl anstehe, doch dann berührte er seinen rechten Arm in der schwarzen Schlinge, und er registrierte, wie die Männer respektvoll den Rücken strafften und die Frauen ihn mit schmelzenden Blicken ansahen. Er hatte sich an diese Bewunderung gewöhnt; und wahrhaftig, er hatte seinen Vortrag nun schon so oft gehalten, dass er inzwischen selbst an sein Heldentum glaubte, und dieser Glaube machte die Erinnerung daran, wie ihn die Legion in der Nacht von Manassas abgelehnt hatte, schwer erträglich.
«Waren Sie ein Held?», fragte Daniels Faulconer jetzt unumwunden.
«Jeder Mann bei Manassas war ein Held», gab Faulconer hochtrabend zurück.
Daniels kicherte über Faulconers Antwort. «Er hätte Anwalt werden sollen wie Sie, Delaney, was? Er weiß, wie man Worte macht, ohne etwas zu sagen.»
Belvedere Delaney war damit beschäftigt gewesen, sich die Fingernägel zu säubern, doch nun bedachte er den Zeitungsherausgeber mit einem knappen, humorlosen Lächeln. Delaney war ein anspruchsvoller, geistreicher und kluger Mann, dem Faulconer nicht ganz traute. Der Anwalt trug eine Konföderiertenuniform, doch worin seine Pflichten im Krieg bestanden, konnte sich Faulconer nicht vorstellen. Zudem ging das Gerücht, Delaney sei der Besitzer von Mrs. Richardsons berühmtem Bordell in der Marshall Street und von dem noch exklusiveren Freudenhaus in der Franklin Street. Wenn das stimmte, wurde Delaney durch den gesammelten Klatsch aus beiden Bordellen mit gefährlichem Wissen über eine beträchtliche Anzahl hochrangigster Vertreter der Konföderation versorgt, und zweifellos gab der gerissene Anwalt all dieses Bettgeflüster an den mürrischen, abartigen Daniels mit dem boshaften Blick weiter.
«Wir brauchen Helden, Faulconer», sagte Daniels jetzt. Er starrte säuerlich auf die überfluteten Pfade und schlammigen Gemüsebeete des triefend nassen Gartens. Ein Rauchfaden stieg vom Räucherhaus des Präsidenten empor, wo ein Dutzend Virginia-Schinken geräuchert wurden. «Haben Sie das von Henry und Donelson gehört?»
«Allerdings», sagte Faulconer. In Tennessee waren Fort Henry und Fort Donelson eingenommen worden, und nun sah es so aus, als würde Nashville fallen, während im Osten von der Seeseite aus die Flotte der Yankees erneut zugeschlagen hatte; dieses Mal, um Roanoke Island in North Carolina zu erobern.
«Und was würden Sie sagen, Faulconer» – Daniels warf dem gutaussehenden Virginier einen unfreundlichen Blick zu – «wenn ich Ihnen erzähle, dass Johnston dabei ist, Centreville und Manassas aufzugeben?»
«Das kann er nicht machen!» Faulconer war entsetzt von dieser Neuigkeit. Viel zu viele Morgen Land in Nordvirginia standen schon unter gegnerischer Besatzung, und es erschütterte Faulconer, dass noch mehr von der heiligen Erde des Staates kampflos abgetreten werden sollte.
«Aber er tut es.» Daniels hielt inne, um sich eine lange, schwarze Cheroot-Zigarre anzuzünden. Er spuckte die Spitze der Cheroot übers Geländer und blies dann eine Rauchwolke in den Regen. «Er hat beschlossen, sich hinter
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