Starbuck. Der Verräter (German Edition)
daran, zu ihm zu gehen», sagte Delaney.
«Daniels!», sagte Faulconer erstaunt, denn John Daniels war einer der mächtigsten und einsiedlerischsten Männer in Richmond. Außerdem war er für seine Hässlichkeit und seine beleidigende Ausdrucksweise berühmt, aber wichtig wurde Daniels dadurch, dass er es war, der darüber entschied, welche Anliegen und welche Männer der einflussreiche Richmonder
Examiner
unterstützte. Daniels lebte allein mit zwei wilden Hunden, die er zu seinem Vergnügen gegeneinander kämpfen ließ, während er von einem hohen Barbierstuhl aus kichernd zusah. Er war auch selbst kein schlechter Kämpfer; zwei Mal hatte er sich seinen Gegnern auf dem Richmonder Duellgelände in Bloody Run entgegengestellt, beide Kämpfe überlebt und seinen Ruf als heimtückischer Gegner gestärkt. Zudem wurde er von vielen Südstaatlern als erstklassiger Politiktheoretiker angesehen, und sein Pamphlet «Die Niggerfrage» wurde in weiten Kreisen von denen bewundert, die keine Notwendigkeit sahen, etwas an der Sklaverei zu ändern. Und nun erwartete der respekteinflößende John Daniels Faulconer anscheinend auf der erhöhten, rückwärtigen Veranda des neuen Regierungssitzes, wo er, die Pferdepeitsche in der Hand, missmutig in den Regen starrte.
Er warf Faulconer einen flüchtigen Blick zu und ließ seine Peitschenschnur dann zu den kahlen, tropfenden Bäumen schnalzen. «Ist dieses Wetter ein Vorzeichen für unseren neuen Präsidenten, Faulconer?», fragte Daniels mit seiner rauen, durchdringenden Stimme, ohne sich um eine formale Begrüßung zu scheren.
«Das will ich nicht hoffen, Daniels. Sie selbst befinden sich wohl?»
«Und was halten Sie von unserem neuen Präsidenten, Faulconer?» Daniels ging über Faulconers höfliche Frage einfach hinweg.
«Ich glaube, wir können uns mit diesem Mann glücklich schätzen.»
«Sie hören sich an wie ein Leitartikler vom
Sentinel
. Glücklich schätzen! Bei Gott, Faulconer, der alte US-Kongress war voll mit Versagern wie Davis. Da hab ich ja schon bessere Männer aus dem Arsch einer Sau kommen sehen. Er beeindruckt Sie mit seiner Ernsthaftigkeit und seiner Ruhe, stimmt’s? O ja, er ist ruhig und ernst, das gestehe ich Ihnen zu, aber das liegt daran, dass er kein Leben im Leib hat, er hat nämlich nichts im Leib außer seinen Vorstellungen von Würde und Ehre und staatsmännischem Verhalten. Aber wir brauchen keine Vorstellungen, Faulconer, wir brauchen Taten. Wir brauchen Männer, die losziehen und Yankees töten. Wir müssen den Norden mit Yankee-Blut tränken, schöne Podiumsreden nützen uns nichts. Wenn man mit Reden eine Schlacht gewinnen könnte, würden wir jetzt auf unserem Weg zur Eroberung Kanadas durch Maine marschieren. Wussten Sie, dass Joe Johnston vor zwei Tagen in Richmond war?»
«Nein, das wusste ich nicht.»
«Wissen Sie, wie Johnston Sie nennt, Faulconer?», fragte Daniels mit seiner unangenehmen Stimme. Es spielte für Daniels keine Rolle, dass Faulconer einer der reichsten Männer im Süden war, so reich, dass er den
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ein Dutzend Mal hätte aufkaufen können; Daniels nämlich war sich seiner eigenen Macht bewusst, und diese Macht bestand darin, im Süden die öffentliche Meinung beeinflussen zu können. Und diese Macht gab ihm das Recht, es sich im Korbschaukelstuhl des Präsidenten bequem zu machen und seine schäbigen Stiefel auf das Verandageländer des Präsidenten zu legen, während Faulconer in seiner herausgeputzten Colonelsuniform wie ein Bittsteller neben ihm stand. «Er nennt Sie den Helden von Manassas», erklärte Daniels säuerlich. «Was sagen Sie dazu?»
«Ich fühle mich überaus geehrt», sagte Faulconer. In Wahrheit war diese Bezeichnung ein Irrtum, denn General Johnston hatte nie herausgefunden, dass es nicht Faulconer gewesen war, der die Legion gegen den überraschenden Flankenangriff der Yankees bei Manassas geführt hatte, sondern der ungerühmte Thaddeus Bird, und er hatte auch nie erfahren, dass Bird diese Entscheidung in vorsätzlicher Missachtung von Faulconers Befehlen getroffen hatte. Stattdessen war Johnston, wie so viele andere in der Konföderation, davon überzeugte, dass der Süden in Washington Faulconer einen brillanten und talentierten Kriegshelden besaß.
Diese Überzeugung hatte Washington Faulconer selbst behutsam genährt. Der Colonel hatte die Monate seit Manassas mit Vortragsreihen über die Schlacht in den Sälen und Theatern zwischen Fredericksburg und Charleston verbracht. Er
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