Starbuck. Der Verräter (German Edition)
entkommen, deren Eisenhülle aus dem Rumpf eines aufgegebenen U.S.-Navy-Schiffs hergestellt worden war, der
Merrimack
. Dieser Sieg war als Ausgleich für die Aufgabe von Manassas erschienen und hatte das Ende der Blockade durch die U.S. Navy in Aussicht gestellt, doch nun sah es so aus, als hätte der Norden ein ebensolches Monster, dem es gelungen war, die CSS
Virginia
zum Stillstand zu bringen.
«Halb so wild, Nate. Wir müssen den Krieg eben einfach an Land ausfechten», sagte Bird, dann klatschte er in die Hände, damit die letzten Männer das brennende Depot verließen und auf der Straße Richtung Süden Aufstellung nahmen.
«Aber wie in Gottes Namen haben sie denn erfahren, dass wir über ein Eisenschiff verfügen?», fragte Starbuck.
«Weil sie Spione haben, natürlich. Vermutlich Hunderte. Glauben Sie denn, dass jedermann südlich von Washington plötzlich seine patriotischen Überzeugungen gewechselt hat?», fragte Bird. «Natürlich nicht. Und manche denken zweifellos, dass jede Übereinkunft mit den Yankees noch besser ist als dieses Elend hier.» Er deutete auf eine weitere Gruppe bemitleidenswerter Flüchtlinge, und auf einmal bestürmte ihn die Vorstellung, wie seine eigene liebe Frau von den einmarschierenden Yankees aus ihrem Haus getrieben wurde. Das war zwar sehr unwahrscheinlich, denn Faulconer County lag tief im Herzen Virginias, aber Bird berührte trotzdem die Tasche, in der er sorgfältig eingewickelt, damit ihm Regen und Feuchtigkeit nichts anhaben konnten, Priscillas Bild aufbewahrte. Er versuchte sich vorzustellen, wie ihr kleines Haus mit den unordentlichen Stapeln seiner Notenblätter und den herumliegenden Violinen und Flöten von johlenden Yankee-Truppen verbrannt wurde.
«Alles in Ordnung?» Starbuck hatte bemerkt, wie Bird plötzlich das Gesicht verzog.
«Gegnerische Reiter! Bewegung!», schrie Sergeant Truslow seiner Kompanie zu, aber er wollte mit dem Gebrüll auch Major Bird aus seiner Versunkenheit wecken. «Yankees, Sir.» Truslow deutete nach Norden, wo sich eine Reitergruppe gegen die fahlen Stämme eines fernen Waldes abhob.
«Abmarsch!», rief Bird zur Spitze der Legionskolonne, dann drehte er sich wieder zu Starbuck um. «Ich habe an Priscilla gedacht.»
«Wie geht es ihr?», fragte Starbuck.
«Sie sagt, es geht ihr sehr gut, aber etwas anderes würde sie auch nicht sagen, nicht wahr? Das liebe Mädchen würde mich nicht mit Klagen belasten.» Bird hatte eine Frau geheiratet, die halb so alt war wie er, und in der Art eines eingefleischten Junggesellen, der schließlich doch vor dem Feind kapituliert hat, betrachtete er seine Frischangetraute mit einer Bewunderung, die an Anbetung grenzte. «Sie schreibt, sie hätte Zwiebeln gepflanzt. Ist es nicht zu früh, um Zwiebeln zu pflanzen? Oder hat sie gemeint, sie hätte sie letztes Jahr gepflanzt? Ich weiß es nicht, aber ich bin wirklich beeindruckt, dass sich das liebe Ding mit Zwiebeln auskennt.» Er schniefte, dann richtete er seinen Blick auf die Reiter in der Ferne, die beim Anblick der vielen Holzkanonen, die ihr Vorrücken bedrohten, höchst wachsam geworden schienen. «Vorwärts, Nate, oder besser gesagt, rückwärts. Überlassen wir dieses Aschefeld dem Gegner.»
Die Legion marschierte an den brennenden Lagerhäusern vorbei, dann durch die kleine Stadt. Nur wenige Häuser waren verlassen, die meisten Einwohner blieben. «Verstecken Sie Ihre Flagge, Mann!», rief Bird einem Schreiner zu, der die neue Konföderiertenflagge herausfordernd an seinem Laden flattern ließ. «Falten Sie die Flagge zusammen! Verstecken Sie das Ding! Wir kommen zurück!»
«Ist noch jemand hinter Ihnen, Colonel?» Der Schreiner hatte Bird unbewusst befördert.
«Eine Kavallerieeinheit. Danach kommen nur noch Yankees!»
«Verpassen Sie den Bastarden eine ordentliche Abreibung, Colonel!», sagte der Schreiner, während er sich zu seiner Flagge hochreckte.
«Wir tun, was wir können. Ihnen viel Glück!»
Die Legion ließ die kleine Stadt hinter sich und marschierte unerschütterlich auf einer nassen und schlammigen Straße, die von den Fuhrwerken der Flüchtlinge zerfurcht worden war. Die Straße führte nach Fredericksburg, wo die Legion den Fluss überqueren und die Brücke zerstören würde, um sich dann dem Hauptverband der Südstaatenarmee anzuschließen. Das Gros der Armee zog sich auf einer Straße weiter westlich zurück, die direkt nach Culpeper Court House führte, wo General Johnston sein neues Hauptquartier eingerichtet
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