Starbuck. Der Verräter (German Edition)
Manassas!»
Daniels blickte finster vor sich hin. «Ich habe allerdings auch das Gerücht gehört, dass Faulconer mit heruntergelassenen Hosen erwischt wurde. Dass er nicht einmal bei der Legion war, als sie gekämpft hat.»
«Solche Geschichten werden aus purem Neid verbreitet, mein lieber Daniels, aus purem Neid.» Delaney, der im Umgang mit dem mächtigen Herausgeber vollkommen entspannt war, zog an einer Zigarre. Sein Vorrat an edlen französischen Zigaretten war inzwischen aufgebraucht, und dieser Mangel war vermutlich der drängendste Grund, aus dem er diesen Krieg schnell beendet sehen wollte. Zu diesem Zweck unterstützte Delaney, genau wie Adam Faulconer, heimlich den Norden und arbeitete für seinen Sieg, indem er in der Hauptstadt des Südens Unheil stiftete, und mit dem, was er an diesem Tag erreicht hatte, so dachte er, war er in dieser Hinsicht ein schönes Stück weitergekommen. Soeben war es ihm nämlich gelungen, den mächtigsten Zeitungsmann des Südens davon zu überzeugen, den enormen Einfluss seines Blattes für den geckenhaftesten und erfolglosesten Soldaten der Konföderation geltend zu machen. Faulconer war, nach Delaneys sarkastischer Einschätzung, niemals richtig erwachsen geworden, und ohne seinen Reichtum wäre er nichts als ein hohlköpfiger Narr. «Er ist unser Mann, John, da bin ich sicher.»
«Und warum hat er dann seit Manassas keinen Posten in der Armee bekommen?», fragte Daniels.
«Seine Armverletzung hat lange zur Heilung gebraucht», sagte Delaney vage. In Wahrheit, so vermutete er, verhinderte Faulconers übertriebener Stolz, dass er unter dem unflätigen und aus einfachen Verhältnissen stammenden Nathan Evans diente, aber das musste Daniels nicht wissen.
«Und hat er nicht seine Nigger freigelassen?», fragte Daniels drohend.
«Das hat er, John, aber dafür gelten bei ihm mildernde Umstände.»
«Der einzige mildernde Umstand dafür, einen Nigger freizulassen, ist der, dass der Bastard tot ist», verkündete Daniels.
«Ich glaube, Faulconer hat seine Sklaven freigelassen, um den letzten Wunsch seines Vaters auf dem Totenbett zu erfüllen», log Delaney. Tatsächlich aber hatte Faulconer seine Leute wegen einer Frau aus dem Norden freigelassen, einer glühenden Abolitionistin, von deren Schönheit der Großgrundbesitzer aus Virginia vorübergehend bezaubert gewesen war.
«Nun ja, zumindest hat er mir Swynyard vom Hals geschafft», sagte Daniels widerwillig, dann hielt er inne, weil Jubelrufe aus dem Haus drangen. Offenbar hielt jemand eine Rede, und die Menge unterbrach die Ansprache mit Gelächter und Applaus. Daniels starrte mürrisch in den immer noch strömenden Regen. «Wir brauchen keine Worte, Delaney, wir brauchen ein verdammtes Wunder.»
Die Konföderation brauchte ein Wunder, weil der neue Napoleon inzwischen zum Kampf bereit und seine Armee den Südstaatentruppen in Virginia zwei zu eins überlegen war, und weil der Frühling vor der Tür stand, was bedeutete, dass auf den Straßen wieder Kanonen herangeschafft werden konnten, und weil der Norden seinen Leuten versprach, dass Richmond eingenommen und die Rebellion beendet würde. Die Felder Virginias würden mit den Toten aus Virginia gedüngt, und das Einzige, was den Süden vor einer unehrenhaften und vernichtenden Niederlage retten konnte, war ein Wunder. Und anstelle dieses Wunders, überlegte Delaney, hatte er dem Süden Faulconer gegeben. Das, so dachte er, würde sogar ein krankes Pferd zum Lachen bringen.
Denn der Süden war dem Untergang geweiht.
Kurz nach der Morgendämmerung galoppierte die Kavallerie über die Felder zurück, die Hufe der Pferde schleuderten helle Silbertropfen von den überfluteten Wiesen empor. «In Centreville sind Yankees! Beeilung!» Die Reiter trabten an dem Erdwall vorbei, in den Aussparungen für Geschütze gegraben worden waren, nur dass sich in diesen Aussparungen statt Kanonen lediglich Quäker-Geschütze befanden. Quäker-Geschütze waren schwarz angestrichene Baumstämme, die schräg aufgerichtet in die Schießscharten gelegt wurden, damit sie von der gegnerischen Seite wie Kanonenmündungen erschienen.
Die Legion Faulconer war das letzte Infanterieregiment, das die Stellung bei Manassas räumen sollte, und voraussichtlich das letzte, das sich hinter die neue Festungsanlage zurückziehen würde, die hinter dem Rappahannock River gegraben wurde. Dieser Rückzug bedeutete, dass dem Norden in Virginia noch mehr Land überlassen wurde, und schon seit Tagen waren
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