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Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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väterlichen Bauernhof die Tiere gehütet. Nun aber trug Sally einen seidenen Reifrock, und ihr Haar wellte und lockte sich unter einer Haube mit Bändern.
    «Ma’am», Adam begrüßte sie mit einer Verbeugung.
    «Adam, du kennst doch …», fing Starbuck an.
    Sally fiel ihm ins Wort. «Ich heiße Victoria Royall, Sir.» Das war ihr Name im Gewerbe, den man Sally in dem Bordell in der Marshall Street gegeben hatte.
    «Miss Royall», sagte Adam.
    «Major Adam Faulconer», vervollständigte Starbuck die Vorstellung. Er sah, wie sehr sich Sally daran freute, dass Adam sie nicht erkannte, und schickte sich darein, ihren Unfug zu ertragen. «Major Faulconer ist ein sehr alter Freund von mir», erklärte er Sally, als wüsste sie es nicht.
    «Mr. Starbuck hat mir schon von Ihnen erzählt, Major Faulconer», sagte Sally und legte ihre sittsamste Art an den Tag. Sie sah auch sittsam aus, denn ihr Kleid war aus dunkelgrauem Stoff, und die roten, weißen und blauen Bänder an ihrer Haube waren mehr ein Zeichen des Patriotismus als ein Luxus. Niemand trug auf den Straßen von Richmond Juwelen oder Putz zur Schau, nicht, wenn es dermaßen viele Banditen gab.
    «Und Sie, Miss Royall, stammen Sie aus Richmond?», fragte Adam, doch bevor Sally antworten konnte, sah Adam auf der anderen Straßenseite Julia und ihre Mutter aus dem Bibelladen kommen, und er bestand darauf, ihnen Starbuck und Sally vorzustellen.
    Sally ging bei Starbuck eingehängt. Sie kicherte, als sie Adam über die Straße folgten. «Er hat mich nicht erkannt!», flüsterte sie.
    «Wie könnte er auch? Jetzt sei um Himmels willen vorsichtig. Das sind gottesfürchtige Leute.» Nachdem Starbuck diese Ermahnung ausgesprochen hatte, setzte er eine ernste, respektable Miene auf. Er half Sally den Bordstein hinauf, warf höflich den Rest seiner Zigarre weg und wandte sich Mrs. Gordon und ihrer Tochter zu.
    Adam übernahm die Vorstellungen, und Starbuck berührte leicht die behandschuhten Finger, die ihm die Ladys entgegenstreckten. Mrs. Gordon erwies sich als magere, zänkische Frau mit einer schmalen Nase und Augen wie ein ausgehungerter Habicht, doch ihre Tochter war eine vollkommene Überraschung. Starbuck hatte mit einer verhuschten Betschwester gerechnet, ängstlich und fromm, doch Julia Gordon hatte ein offenes Wesen, das diese Vorstellung sofort zunichte machte. Sie war schwarzhaarig mit dunkelbraunen Augen, und ihre kräftigen Gesichtszüge wirkten beinahe kämpferisch. Sie war keine Schönheit, dachte Starbuck, aber sehr hübsch. Aus ihrer Miene sprachen Charakter, Willensstärke und Intelligenz, und als Starbuck ihrem Blick begegnete, stellte er fest, dass er merkwürdig eifersüchtig auf Adam war.
    Sally wurde vorgestellt, aber Mrs. Gordon wandte sich sofort wieder an Starbuck und wollte wissen, ob er mit dem berühmten Reverend Elial Starbuck in Boston verwandt sei. Starbuck gestand, dass der bekannte Abolitionist sein Vater war.
    «Wir kennen ihn», sagte Mrs. Gordon missbilligend.
    «Wirklich, Ma’am?», fragte Starbuck.
    «Gordon» – Mrs. Gordon sprach von ihrem Ehemann – «ist ein Missionar der ASPGP .»
    «Tatsächlich, Ma’am?», sagte Starbuck respektvoll. Starbucks Vater war einer der Treuhänder der American Society for the Propagation of the Gospel to the Poor, der Amerikanischen Gesellschaft zur Verkündigung des Evangeliums unter den Armen, einem Missionsverein, der die göttliche Heilsbotschaft in die finstersten Ecken der Städte Amerikas trug.
    Mrs. Gordon streifte Starbucks armselige Uniform mit einem Blick. «Ihr Vater ist wohl kaum erfreut darüber, dass Sie eine Konföderiertenuniform tragen, Mr. Starbuck.»
    «Das ist er ganz bestimmt nicht, Ma’am», sagte Starbuck.
    «Mutter verurteilt Sie, bevor sie die Umstände kennt», schaltete sich Julia mit einer Unbekümmertheit ein, die Starbuck zum Lächeln brachte, «aber Sie sollen die Gelegenheit bekommen, auf Strafmilderung zu plädieren, bevor ihr Richterspruch verkündet wird.»
    «Das ist eine sehr lange Geschichte, Ma’am», sagte Starbuck zurückhaltend, denn er wusste, dass er es nicht wagen würde, zu beschreiben, wie er sich hoffnungslos und einseitig in eine Schauspielerin verliebt hatte, für die er den Norden, seine Familie, sein Studium und sein Ansehen aufgegeben hatte.
    «Zu lang, um sie sich jetzt anzuhören, nehme ich doch an», sagte Mrs. Gordon in einem Ton, den sie sich wohl in all den Jahren angewöhnt hatte, während sie unwillige Kirchgänger zur

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