Stardoc 01 - Die Seuche
den Gesichtszügen des Jorenianers einen besonders schauderhaften Ausdruck. Diesem Mann hätte jeder zugetraut, die Galaxie auf der Jagd nach seinen Feinden zu durchqueren. Allein der Anblick machte mir Angst.
»Vielleicht ändern sie ihre Meinung«, sagte ich.
»Soll die Liga doch angeheuerte Schläger schicken, um die Sunlace herauszufordern, dann werden sie erfahren, wie der HausClan Torin mit denen verfährt, die ihn provozieren.« Xonea nahm die Discs heraus und reichte sie mir. »Ich muss mit dir über die morgige Zeremonie sprechen.«
Ich umklammerte die Discs. »Um Kao zu ehren.«
Er lächelte. »Um euch beide zu ehren.« Er hielt eine dritte Disc hoch. »Wir haben immer schon im Tod das Leben gefeiert, Heilerin. Sieh dir das bitte heute an; es wird dir beim Verständnis unserer Rituale helfen. Deine Anwesenheit wird unser Haus erstrahlen lassen.«
Ich schaute mir die Disc später in meinem Quartier an. Um Kaos willen zwang ich mich, die Zeremonie sorgfältig zu studieren.
Jorenianer glaubten, dass der Tod der Beginn einer neuen Reise war. Die Rückkehr zu einem ursprünglichen Leben, wenn der physische Körper zurückgelassen wurde. Sie glaubten, dass die Seele nach dem Tod »die Sterne umarmte«. In symbolischem Gedenken würden Kaos Überreste aus dem Schiff katapultiert und direkt in die Doppelsonne von K-2 geschickt werden.
Ausgewählte Mitglieder des HausClans nahmen am eigentlichen Ritual teil. HausClan-Brüder und Schwestern bereiteten den Körper und den Empfang auf traditionelle Weise vor. Der Bundesgefährte – oder in meinem Fall, die Erwählte – sprach einen Segen für die Reise der Seele. Zuletzt gab jemand, der Sprecher genannt wurde, die letzte Nachricht des Toten wieder.
Über diesen Teil wunderte ich mich. Kao hatte mir keine letzte Nachricht anvertraut. Ich dachte an Dhreen. Hatte Kao ihm seine letzten Wünsche mitgeteilt, während sie beide auf der Station lagen?
Eine der Jorenianerinnen, mit denen ich arbeitete, eine junge Frau mit einer deprimierend fröhlichen Art, brachte mir etwas, das sie die »Reiserobe« nannte, in mein Quartier. Es war ein wunderschöner, weich fallender Strom schimmernden hellblauen Stoffes, der fast zu zart wirkte, als dass man ihn anfassen durfte. Sie zeigte mir, wie man die Robe trug, und überredete mich, mein Haar zu öffnen.
»Kao würde wollen, dass du aussiehst, wie er dich in seinem Herzen sah.«
Ich fand in dieser Nacht keinen Schlaf. Ich wollte den rituellen Segen nicht sprechen. Kao war an dem gestorben, was ich ihm gegeben hatte. Ich war nicht seine Gefährtin, ich war seine Mörderin.
Dieser Gedanke verfolgte mich bis zu dem Moment, in dem die Zeremonie begann. Die Torins versammelten sich in einem für solche Rituale reservierten Bereich. Ich hatte einige Mitglieder der Mannschaft bereits getroffen, aber sie alle auf einem Fleck zu sehen, tat mir in den Augen weh. So viele der Männer erinnerten mich an Kao. Es war, als wäre er wiedergeboren, wieder und wieder.
Das HausClan Torin trug die Familienfarben, Roben in tausend Blau- und Grüntönen. Mit den schwarzen Haaren und der saphirblauen Haut erinnerten sie mich an den Zwielichthimmel über einem terranischen Meer.
Ich wurde zu einem Podest gebracht, auf dem der spezielle Behälter für den Start vorbereitet war. Kaos Sarg war schmal und schwarz. Ein hoch aufragender Kreis seiner Brüder und Schwestern, unter ihnen Xonea, umringte mich. Sie vollführten einen komplizierten Tanz um das Podest herum, während sie die äußeren Flächen mit immer mehr silbernen Bändern umwanden.
Ich starrte auf das Muster und sah, wie Flügel Gestalt annahmen. Ich hob meine Hand zu dem jetzt verblassenden Zeichen auf meinem Hals. Ich musste ihn jetzt gehen lassen. Musste es.
Der Rest der Jorenianer sang leise Gebete. Ihre melodischen Stimmen vereinten sich zu einem treibenden, fröhlichen Lied. Sie zu hören, zerriss mich beinahe. Niemand weinte; sie freuten sich wirklich, dachte ich. Freuten sich für Kao, den ich umgebracht hatte.
Schließlich waren seine Geschwister fertig, der Behälter war mit einem feinen Gewebe glitzernder Lichter überzogen. Eine Stimme nach der anderen verstummte. Stille erfüllte den Raum. Xonea und seine Brüder und Schwestern verneigten sich vor mir, dann stiegen sie vom Podest und gesellten sich zu den anderen, die zu mir hinaufschauten.
Ich war jetzt allein. Die Frau, die er Erwählt hatte. Seine Scharfrichterin. Wie konnte ich beides zugleich sein? Wie konnte ich
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