Stardoc 01 - Die Seuche
kein Genie zu sein, um herauszufinden, wer sie schickte.
Mein Vater, Joseph Grey Veil, wurde für seine Pionierarbeit im Bereich der terranischen Transplantationstechnik verehrt. Er hatte es ermöglicht, dass jeder, der eine Organtransplantation benötigte, auch eine bekommen konnte; und das war nur eine der vielen Errungenschaften, die die Menschheit ihm verdankte. Jeder , unabhängig vom Finanzrahmen oder sozialem Stand. Er hatte eine Methode entwickelt, bei der das Organ des Patienten geklont wurde, dabei die zerstörten Zellen ersetzte und auf diese Weise einen maßgeschneiderten, gesunden Ersatz bildete. Millionen Menschen verdankten ihm ihr Leben.
»Meine Philosophie war es immer, die genetische Integrität wiederherzustellen«, hatte Dad einmal auf einer Veranstaltung für graduierte Medizinstudenten gesagt. Er wurde zu allen diesen Veranstaltungen eingeladen, jedes Jahr. »Reinigt man die Zellen von irregeleiteter oder mutierter DNS, kann man das Organ so wieder erschaffen, wie es sein sollte.«
Leider dachte Dad auch über Menschen , wie er über mutierte DNS dachte. Ein Jahrzehnt bevor ich geboren wurde, hatte er zusammen mit einigen Kollegen das Gesetz zum Erhalt genetischer Exklusivität geschaffen. Dieses Gesetz, von der Weltregierung einheitlich unterstützt, verbot es allen Aliens, sich auf unserer Welt anzusiedeln.
Sie hätten auch einfach ein großes Schild mit der Aufschrift in den Orbit hängen können: Außerirdische, geht nach Hause.
Dads Ansprache vor der Vereinten Nationalversammlung wurde als eine der eindrucksvollsten angesehen, die jemals dort gehalten wurden. Sein Eröffnungssatz hatte alles gesagt: »Der Einfluss außerirdischer Spezies auf Terra muss als direkte Bedrohung der genetischen Integrität der Menschheit angesehen werden.«
Standhaft, mitreißend, bis in die Haarspitzen bigott, das war mein Vater.
Trotz der Verlockungen der Politik war dies das einzige Mal, dass sich Joseph Grey Veil in die Belange des komplizierten Regierungssystems von Terra eingemischt hatte. Sein Platz in den Geschichtsbüchern würde von dem bestimmt werden, was er als Wissenschaftler und Chirurg erreicht hatte, nicht von seinem öffentlichen Auftreten.
In den folgenden Jahren hatte mein Vater die Praxis der internistischen Medizin Terras für immer verändert. Onkologen, Chirurgen und Hämatologen beteten ihn an.
Ich tat das nicht. Hatte es nie getan. Lebende Legenden waren miserable Väter. Jetzt musste ich mich den Unannehmlichkeiten stellen. Ich tippte auf die Konsole und sah dem vertrauten Gesicht dabei zu, wie es sich auf dem Bildschirm zusammensetzte.
Man hätte Dad attraktiv nennen können, auf eine entrückte Art. Silberschwarze Haare. Strenge Gesichtszüge. Klein gewachsen, so wie ich. Eine leichte Fitness-Obsession hatte seine Figur jung erhalten. Frauen fanden ihn so lange interessant, bis er seinen Mund aufmachte. Ich hatte schon vor langem aufgehört, mich zu wundern, warum er meine Mutter für ihre Dienste hatte bezahlen müssen. Für Dad war man entweder ein Kollege oder ein potenzieller Patient. Mehr gab es da nicht.
Wenn er wirklich wütend war, zog er seine Oberlippe etwas kraus. Im Moment sah er aus, als wollte er mich anzüglich angrinsen.
»Tochter«, sagte er mit einer Spur von Wut und Tadel in der Stimme. »Ich versuche seit mehr als zehn terranischen Standardstunden, dich zu erreichen.« Und dass er nicht sehr erfreut darüber war, praktisch in eine interstellare Warteschleife gelegt worden zu sein, sah man ihm sofort an. »Ich kann diese leichtsinnige Entscheidung, ohne meine Zustimmung zu verreisen, nicht nachvollziehen.«
»Hallo Dad. Mir geht es gut. Wie geht es dir?«
»Ich unterziehe meine Einschätzung deines Reifegrades gerade einer Prüfung«, sagte er. Die tadelnde Oberlippe faltete sich praktisch zusammen.
»Es tut mir Leid, dass ich dich nicht über meine Pläne informiert habe.«
»Ich akzeptiere deine Entschuldigung.« Ja, klar, dachte ich. Sicher. Ungefähr so wie meine Flucht. »Die Reise war problemlos?«
»Natürlich. Interstellare Reisen sind heutzutage sehr sicher.«
»Ja, die regulären Transportfahrzeuge sind es.« Er ließ die Höflichkeiten gleich wieder fallen. »Du warst jedoch nicht mit einem solchen unterwegs.«
»Ich habe eine Passage auf einem unabhängigen Raumschiff gebucht.«
»Der Name dieses unabhängigen Raumschiffs?«
»Wenn du das wirklich wissen willst, Dad, wirst du es schon rausfinden.« Ich würde ihm nicht dabei
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