Stardoc 01 - Die Seuche
verklang dann. Ich konnte mich nicht bewegen.
Ich konnte immer noch den Windhauch auf meiner Haut spüren, das Rascheln der lilafarbenen Blätter hören, die fruchtbare, dunkle Erde riechen. Aber ich konnte mich nicht bewegen. Nicht einen Zentimeter. Aus dem Augenwinkel sah ich ihn um mich herumgehen, seine Augen starr auf mein Gesicht gerichtet. Meine Kehle bemühte sich, einen Ton hervorzubringen. Irgendeinen Ton. Ohne Erfolg.
Mein Gehirn arbeitete noch. Er tut mir dies an , dachte ich. Man brauchte keine telepathischen Kräfte, um Chirurg zu werden, darum wusste ich sehr wenig darüber. Nicht, dass übernatürliche Kräfte bei Terranern sonderlich verbreitet gewesen wären.
Das kann nicht sein.
Doch , hörte ich ihn sagen, aber seine Lippen bewegten sich nicht, und ich hörte es an der falschen Stelle. Seine Stimme befand sich hinter meinen Augen.
Ich probierte es aus. Reever? Können Sie mich hören?
Ja. Ich kann Sie hören. Er kam näher, bis sein Gesicht nur noch Zentimeter von meinem entfernt war. Eine eigenartige Faszination spiegelte sich in seinen kalten Augen.
Sie tun mir das hier tatsächlich an. Es war unvorstellbar, aber dennoch hörte ich seine Gedanken, und er hörte meine. Warum? Warum tun Sie das?
Sie sind die Einzige, die ich dafür nicht berühren musste.
Er probierte mit mir herum? Nicht lange. Nachdem ich ihn aus meinem Kopf hätte, würde er nie wieder versuchen, so was mit mir abzuziehen. Er wäre viel zu sehr damit beschäftigt, wieder gesund zu werden.
Es reicht, Reever. Raus aus meinem Kopf.
Warten Sie. Seine Hand berührte mich. Kalte Finger umfassten meine. Da ist noch mehr.
Mehr wovon? , wollte ich wissen.
Bilder schossen durch meinen Kopf. Unzusammenhängende Farb-, Geräusch- und Gefühlsfragmente, eines nach dem anderen, da und wieder weg, bevor ich Einzelheiten erkennen konnte.
Ein kleiner Junge … ängstlich … allein … Verachtung … undeutliche Gesichter … ein terranischer Mann und eine Frau …
Eine Klinge zerschneidet die Hand eines kleinen Kindes …
Nagender Hunger … Schmerz …
Bald war es zu viel, um es zu verstehen. Ich sah Bilder unglaublich fremdartiger Welten, seltsamer Kreaturen, Kulturen. Hörte tausende Sprachen, Stimmen flüsterten, sangen, schrien. Schmeckte Dinge mit bizarrem Geschmack und seltsamer Konsistenz, roch Blumen, Chemikalien, Tod. Endlich verstand ich.
Ich war in Reever. In seinem Geist. Erlebte seine Erinnerungen.
Die Bilder verblassten. Ich spürte die Angst von jemandem. Leiden. Wut … was hatte das zu bedeuten? Dann traf mich die Erkenntnis: Wenn ich seine Gedanken lesen und seine Erinnerungen sehen konnte, konnte Reever das Gleiche bei mir tun.
Ich musste ihn aufhalten. Sofort. Lass – mich – los.
Einen erschreckenden Moment lang passierte gar nichts. Dann verschwand die telepathische Verbindung, die mich gehalten hatte. Ich gewann die Kontrolle über meinen Körper zurück, aber die plötzlichen Sinneseindrücke sorgten dafür, dass ich zusammensackte. Ich hörte eine Hose reißen, spürte den rauen Boden an meinen Knien.
Ich sah, dass Reever seine Hände nach mir ausstreckte, und krabbelte ungelenk von ihm weg. »Fassen Sie mich nicht an!«
»Cherijo.« Reever gab einen Laut der Ungeduld von sich, als ich weiterkroch. »Ich werde Ihnen nicht wehtun.« Mit einem sachlichen Griff zog er mich auf die Füße. Ich wollte, dass mich meine Beine trugen, aber dazu waren sie nicht bereit. Also musste ich mich an ihm festhalten. »Sind Sie verletzt?«
»Verletzt?«
Er schaute nach unten. »Sie haben sich die Knie aufgeschlagen …«
»Sie haben gerade die Kontrolle über meinen Geist und meinen Körper übernommen, gegen meinen Willen, und jetzt wollen Sie wissen, ob meine Knie schmerzen?« Ich stieß hektisch seine Hände weg und stolperte zurück. »Halten Sie sich von mir fern.«
»Ich bitte um Entschuldigung.«
Das konnte er doch wohl nicht ernst meinen. Nicht wirklich. Ich starrte ihn an. Nein, er meinte es ernst.
»Stecken Sie sich Ihre Entschuldigung sonst wo hin.« Mit wachsender Standfestigkeit klopfte ich an dem Dreck und den Blättern herum, die an meiner Hose hingen.
»Ich habe es nicht böse gemeint.«
»Sicher.« Ich brachte ein unsicheres Lachen zustande. Klar, es ist doch nichts Schlimmes passiert, Cherijo, warum regst du dich so auf? »Machen Sie das öfter?«
Seine entrückten blauen Augen verengten sich. »Nein. Niemals mit anderen Menschen.«
Oh, dann war ich die Erste, oder wie? Das war
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