Stardoc 02 - Der Klon
Vorsichtig ertastete ich die andere, stumpfe Kante, bis ich wusste, wie die Waffe befestigt war, dann löste ich sie.
Es mochte klein sein, hunderte Jahre alt und nur im Nahkampf mit einem Feind nützlich – aber das uralte jorenianische Skalpell war eine Waffe. Das nächste Problem war: Wo sollte ich es verstecken? Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar, zögerte einen Moment und lächelte dann.
Ich legte das Messer in meinen Schoß. Dann lutschte ich den Blutstropfen von meinem Daumen und öffnete mit beiden Händen meinen dicken Zopf. Während ich mein geöffnetes Haar schüttelte, versteckte ich das Messer in der Handfläche und hielt es mit dem Daumen fest. Dann hob ich die Hände wieder an mein Haar und sammelte die dichte Masse in meinem Nacken.
Niemand würde den großen dicken jorenianischen Kriegerknoten infrage stellen, den ich jetzt trug. Man würde es auf die Liebe zu meinem Adoptivvolk schieben.
Die Liga dachte, sie hätte mich in der Hand. Das war der größte Fehler von allen.
Ich vertrieb mir am nächsten Tag ein paar Stunden damit, die Einrichtung für ein Quartier auszusuchen, das ich nicht sonderlich lange zu bewohnen gedachte. Sobald wir den Varallan-Quadranten verlassen hatten, wollte ich einen Shuttle organisieren und mich so in einem Asteroidengürtel verstecken, wie es der Pilot des Patriarchen getan hatte. Sie würden ihre Schiffe bei der Verfolgung beschädigen, während ich entkommen würde. Und ich hatte vor, ein für alle Mal verschollen zu bleiben.
Mein misshandelter Magen flehte schließlich nach Nahrung. Ich hatte eben beschlossen, die neue Zubereitungseinheit zu benutzen, als das Schiff auf vollen Alarm ging. Neugierig öffnete ich meine Tür und schaute hinaus. Warntöne plärrten, orangefarbene Lichter blitzten, und Mannschaftsmitglieder rannten hin und her.
Verdammt, hatte Xonea etwas Dummes getan?
Ich konnte jetzt nicht versuchen zu entkommen. Damit würde ich Joren wieder in die Schusslinie rücken. Ich ging zu meinem Bildschirm und rief Shropana an.
Er antwortete nach ein paar Sekunden. »Ja, Heilerin?«
»Weshalb die ganze Aufregung?«
»Wir werden angegriffen.« Er drehte den Kopf und rief jemandem eine Reihe scharfer Befehle zu. »Entschuldigen Sie mich, Heilerin.«
»Halt! Wer greift an?«, wollte ich wissen. »Jemand von Joren? Sagen Sie ihnen, dass ich gesagt hätte …«
»Niemand von Joren. Es sind die Hsktskt.« Er unterbrach die Verbindung.
Die Hsktskt? Griffen eine Flotte aus sechzig Liga-Schiffen an?
Ich hämmerte auf der Tastatur vor dem Bildschirm herum, bis dieser eine Außenansicht des Schiffes zeigte. Hinter dem dichten Teppich aus Kreuzern näherte sich eine massive Wand aus schwer gepanzerten Hsktskt-Transport- und Kriegsschiffen.
»Gott.« Ich musste nicht nachzählen – das waren deutlich mehr als sechzig Schiffe da draußen. Eher um die zwei- oder dreihundert. So viele, dass man das All hinter ihnen nicht mehr sehen konnte.
»Sieht aus, als würden wir wohl doch nicht nach Fendagal XI fliegen.«
Ich war sicher, dass Shropana versuchen würde, mit den Plünderern zu verhandeln. Das war die typische erste Reaktion der Liga. Vielleicht hatte er sogar zu Beginn ein »Ersuchen um Waffenstillstand« -Signal geschickt, bevor das Verlagerungsfeuer eröffnet worden war. Wollten die Hsktskt Joren und die angrenzenden Welten für sich? War die Liga ihnen einfach im Weg?
Ich sah die anderen Flottenschiffe den Hsktskt-Angriffen ausweichen, spürte das Deck unter mir erzittern, als die Verlagerungsschüsse in die Hülle krachten. Ich hatte keine Angst, sondern genoss die der Situation innewohnende Ironie.
»Sprengt uns ins Himmelreich«, flüsterte ich, während ich die herankommende Welle aus Schiffen beobachtete. »Und stellt sicher, dass ihr alle Terraner erwischt.«
»Cherijo!«
Meine Tür wurde aufgerissen, und Salo stand in der Öffnung, keuchend und an diversen Stellen blutend. »Cherijo? Geht es dir gut?«
»Salo!« Ich sprang auf und rannte zu ihm. »Was machst du hier? Bist du verrückt?«
Er atmete schwer und schüttelte den Kopf. »Wir müssen gehen.«
»Du bist verletzt«, sagte ich und betrachtete seine Verletzungen. »Wie konntest du so weit in das Schiff eindringen? Ist jemand mit dir gekommen?«
Er legte einen Arm um mich und hob mich hoch, als wäre ich ein Kind. »Ich bitte um Verzeihung«, sagte er, drückte mich an sich und rannte los.
Ich hatte keine Zeit für Widerworte. Meine Aufgabe war es, mich festzuhalten, während
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