Starfire - Rebellion: Starfire1 (German Edition)
Kameraden im Stich ließ, war die Kapitulation besonders schmerzhaft gewesen. Und noch schlimmer machte es die Lage, dass die Eingliederung ihrer Kampfgruppe unter Kellermans Kommando sie zu praktisch einer Unbekannten für die meisten ihrer Mitgefangenen gemacht hatte – einer Unbekannten, die sie durch ihre Kapitulation alle dem Rand ausgeliefert hatten. Aber sie hatte sich der Probleme, ihrer eigenen und der ihrer Mannschaft, mit dem ganzen Mitgefühl und der Hartnäckigkeit angenommen, die ihrem Wesen eigen war. Jetzt, neun Monate später, waren aus Gefangenen wieder Soldaten geworden.
Seit die unmittelbaren Personalprobleme gelöst waren, hatte Han feststellen müssen, dass sie nichts mehr zu tun hatte. Das Lager war wie ein gut geführtes Schiff oder ein Geschwader und konnte unter Leitung ihres Ersten Offiziers wie ein Uhrwerk funktionieren, solange sie als fernes, aber sofort verfügbares Ausgleichsgewicht dahinterstand. Sie musste feststellen, dass einen die Funktion des »Oberkommandierenden«, selbst des Oberkommandierenden eines Gefangenenlagers, noch einsamer machte als das Kommando über eine Kampfgruppe.
Als der Herbst dem kurzen, milden Winter der gemäßigten Zonen Xanadus wich, wurde Han die ganze Ironie ihres Erfolges bewusst. Sie hatte ihren Untergebenen ein neues Ziel gegeben und sie zu einer Einheit zusammengeschmiedet, während sie selbst wie ein gefangener Vogel gegen die Monotonie und die in den Wahnsinn führende Trägheit ihrer Gefangenschaft haderte. Nur einmal hatte es in der bedrückenden Langeweile ihres Lebens einen kurzen Augenblick der Normalität gegeben.
Hans Erfahrung mit Regierungen im Allgemeinen und ganz besonders denen, die sich den Wünschen der Konzernwelten beugten, waren keine sehr glücklichen gewesen. Als man sie daher geholt hatte, weil eine Ms. Miriam Ortega sie sprechen wollte, die provisorische Großrätin für Innere Sicherheit der Rand-Systeme, war sie darauf vorbereitet gewesen, wieder einmal einer gelangweilten und unsensiblen Bürokratin gegenüberzutreten.
Aber Ms. Ortega hatte von Anfang an das Gesprächsklima bestimmt, indem sie elegant den Lagerkommandanten weggeschickt und damit das ganze Gespräch inoffiziell gemacht hatte. Das war keineswegs typisch für die Bürokratie hörigen Automaten, die außerhalb der Terranischen Republik aus Hans Sicht typisch für »Regierung« waren.
Das war nicht nur eine großzügige, sondern natürlich auch eine kluge Geste, hatte Han überlegt und gespürt, wie sie sich für die Frau erwärmte, die ihr gegenübersaß. Noch weiter taute sie auf, als sie über die Zustände im Lager und die Bedürfnisse der Gefangenen diskutierten. Es war geradezu ein Genuss, nach all den Monaten mit immer den gleichen Gesichtern einmal mit jemand Neuem sprechen zu können! Ganz besonders mit jemandem wie dieser intelligenten, vorurteilsfreien Frau in ihrer bodenständig humorvollen Art. Han hatte hart an ihrem ruhigen Pflichtgefühl gearbeitet, dafür aber mit dem Preis der Einsamkeit bezahlt. Als sie sich jetzt mit Miriam Ortega unterhielt, verspürte sie die Anziehungskraft, die häufig von unterschiedlichen Charakteren ausgeht, und hatte Mühe, sich dabei bewusst zu bleiben, dass sie Feinde waren.
Als für Miriam Ortega die Zeit zum Gehen gekommen war, war sie voll Bedauern aufgestanden. Doch ehe die Besucherin den Raum verlassen hatte, hatte Han sich abgemüht, eine peinliche Frage zu formulieren, besorgt, damit die so labile Harmonie zu zerstören, die sie mit ihrer »Feindin« aufgebaut hatte.
»Ms. Ortega, ich habe mich natürlich gefragt … ich meine, Ihr Familienname …«
Miriam Ortega war ihr ins Wort gefallen und hatte die Frage beantwortet, ehe sie sie ganz hatte stellen können.
»Admiral Ortega war mein Vater«, hatte sie schlicht erklärt.
Han hatte die unter den gegebenen Umständen schmerzliche Frage sofort bedauert, aber ihr Gegenüber, diese Frau mit dem so wunderbar ausdrucksvollen Gesicht, hatte weiter gesprochen.
»Er war ein Mann mit starken Prinzipien und hat den Tod gefunden, indem er nach diesen Prinzipien gehandelt hat – eigentlich ein guter Tod, denke ich.« Und dann, wieder mit einem leichten Lächeln. »Ich höre, dass Sie einige Male selbst ganz kurz vor dem Tod standen!« Und damit war plötzlich ihre Harmonie nicht länger erzwungen.
Zu ihrer Verblüffung hatte Han später über die sorgfältig gehegte Gerüchteküche der Wachen erfahren, dass Miriam Ortega die Geliebte von Ian Trevayne war.
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