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Stark (Dark Half)

Stark (Dark Half)

Titel: Stark (Dark Half) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Fischaugenlinse, die einen verzerrten Weitwinkelblick über den Flur ermöglichte, und in ihr sah er deutlich, was er zu sehen erwartet hatte: ein weißes Gesicht, das um die Kante einer Tür auf der anderen Flurseite herumlugte, herauslugte wie ein Kaninchen aus seinem Bau.
    Das Gesicht zog sich zurück.
    Die Tür wurde geschlossen.
    Sie wurde nicht zugeschlagen, sie wurde einfach zugezogen. Die dämliche Miriam hatte etwas fallen lassen. Der Mann, der bei ihr war - vielleicht ein Freund, vielleicht ihr Exgatte - half ihr beim Aufsammeln. Kein Grund zur Beunruhigung. Alles nur kleine Kaninchen, wie man selbst.
    Miriam stöhnte, begann zu sich zu kommen.
    Der blonde Mann griff in die Tasche, zog ein Rasiermesser heraus und klappte es auf. Die Schneide funkelte im Schein des einzigen Lichtes, das er eingeschaltet hatte, einer Stehlampe im Wohnzimmer.
    Ihre Augen öffneten sich. Sie schaute zu ihm auf, sah sein Gesicht, als er sich über sie beugte. Ihr Mund war rot verschmiert, als hätte sie Erdbeeren gegessen.
    Er zeigte ihr das Rasiermesser. Ihre Augen, die verschleiert und benommen gewesen waren, wurden hel wach und groß. Ihr nasser roter Mund öffnete sich.
    »Ein Ton, und du spürst mein Messer, Mädchen«, sagte er, und ihr Mund schloss sich wieder.
    Er griff abermals mit einer Hand in ihr Haar und zerrte sie ins Wohnzimmer. Ihr Rock wisperte auf den gebohnerten Dielen. Unter ihr faltete sich ein Läufer auf, glitt vor ihr her wie vor einem Schneepflug. Sie stöhnte vor Schmerzen.
    »Laß das«, sagte er. »Ich habe dich gewarnt.«
    Sie waren im Wohnzimmer. Es war klein, aber hübsch. Gemütlich. Drucke von französischen Impressionisten an den Wänden. Ein gerahmtes Reklameplakat für Cats. JETZT UND IMMER stand darauf. Trockenblumen. Eine kleine, mehrteilige Couch, mit einem weizenfarbenen Noppenstoff bezogen. Ein Bücherschrank. Er sah, dass in dem Bücherschrank die beiden Bücher von Beaumont auf einem Bord standen und die vier von Stark auf einem anderen. Die von Beaumont standen auf einem höheren Bord. Das war falsch, aber er musste davon ausgehen, daß das Weibsbild es nicht besser wusste.
    Er ließ ihr Haar los. »Setz dich auf die Couch, Mädchen. An das Ende.« Er deutete auf die Seite neben dem kleinen Beistelltisch, auf dem das Telefon und der Anrufbeantworter standen.
    »Bitte«, flüsterte sie. Sie machte keine Anstalten, aufzustehen. Ihr Mund und ihre Wange begannen jetzt anzuschwel en, und das Wort kam breiig heraus. »Nehmen Sie alles. Geld ist im Bräter.« Gell ischim Bäter.
    »Setz dich auf die Couch. An das Ende.« Diesmal hielt er ihr das Rasiermesser vors Gesicht, während er mit der anderen Hand auf die Couch deutete.
    Sie mühte sich auf die Couch und drückte sich so tief wie möglich in die Kissen; ihre dunklen Augen waren weit aufgerissen. Sie wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und betrachtete einen Momentlang ungläubig das Blut, bevor sie ihn wieder ansah.
    »Was wollen Sie?« Waw wann schie. Es hörte sich an, als spräche jemand mit vollem Mund.
    »Ich möchte, dass du ein Telefongespräch führst, Mädchen. Das ist alles.« Er nahm den Apparat und benutzte die Hand, die das Rasiermesser hielt, um auf den Ansageknopf des Anrufbeantworters zu drücken. Dann streckte er ihr den Hörer hin. Es war einer von der altmodischen Sorte, auf einer Gabel ruhend, die aussieht wie eine leicht verbogene Hantel. Viel schwerer als der Hörer eines Princess-Telefons. Er wusste es und erkannte an der leichten Versteifung ihres Körpers, als er ihn ihr reichte, dass sie es gleichfal s wusste. Der Anflug eines Lächelns erschien auf den Lippen des blonden Mannes. Sonst erschien es nirgendwo; nur auf seinen Lippen. Es lag nichts Erfreuliches in diesem Lächeln.
    »Du denkst, du könntest mir dieses Ding über den Schädel ziehen, stimmt's, Mädchen?« fragte er. »Lass dir eines gesagt sein - das ist kein glücklicher Gedanke.
    Und du weißt doch, was mit Leuten passiert, die ihre glücklichen Gedanken verlieren, oder?« Als sie nicht antwortete, sagte er: »Sie fallen vom Himmel herunter. Es ist wahr. Ich habe es in einem Zeichentrickfilm gesehen. Also hältst du den Telefonhörer auf deinem Schoß und konzentrierst dich darauf, deine glücklichen Gedanken zurückzuholen.«

    Sie starrte ihn an, nichts als Augen. Blut rann langsam über ihr Kinn. Ein Tropfen fiel herunter und landete auf dem Mieder ihres Kleides. Das kriegst du nie wieder heraus, Mädchen, dachte der blonde Mann.

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