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Stark (Dark Half)

Stark (Dark Half)

Titel: Stark (Dark Half) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Blut zu bekommen, aber dann stand die Botschaft da, über dem zurückgesackten Kopf der Frau. Sie hätte sie lesen können, wenn ihre Augen offen gewesen wären.
    Und natürlich nur, wenn sie noch gelebt hätte.
    Er beugte sich vor und küßte Miriam auf die Wange. »Gute Nacht, Mädchen«, sagte er und verließ die Wohnung.
    Der Mann auf der anderen Seite des Flurs lugte wieder zur Tür heraus.
    Als er den hochgewachsenen, blutbesudelten blonden Mann aus Miriams Wohnung kommen sah, schlug er sie zu und verschloß sie.

    Vernünftig, dachte Stark, während er den Flur entlang auf den Fahrstuhl zuging. Sehr vernünftig.
    Er mußte zusehen, daß er weiterkam. Er durfte seine Zeit nicht vertrödeln.
    Es war an diesem Abend noch mehr zu erledigen.

Dreizehntes Kapitel
    Panik

    Ein paar Sekunden - er hatte keine Ahnung, wie viele es waren -steckte Thad im Klammergriff einer so überwältigenden und grenzenlosen Panik, daß er buchstäblich außerstande war, auf irgendeine Art zu reagieren.
    Es war erstaunlich, daß er überhaupt noch atmen konnte. Später fiel ihm ein, daß er nur ein einziges Mal in seinem Leben etwas empfunden hatte, das diesem Erlebnis entfernt ähnlich war. Das war, als er zehn Jahre alt war und mit zweien seiner Freunde beschlossen hatte, Mitte Mai baden zu gehen. Es war mindestens drei Wochen früher, als einer von ihnen je baden gegangen war, aber es schien ihnen trotzdem eine gute Idee zu sein; der Tag war klar und für einen Maitag in New Jersey sehr warm, um die achtundzwanzig Grad. Sie waren alle drei zum Lake Davis hinuntergewandert, ihr Spottname für einen kleinen Teich, etwa eine Meile von Thads Elternhaus in Bergenfield entfernt. Er hatte als erster seine Kleider aus-und seine Badehose angezogen und war somit auch als erster im Wasser gewesen. Er war einfach vom Ufer aus hineingehechtet, und er glaubte noch heute, daß er damals dem Tode sehr nahe gewesen war - wie nahe, wollte er lieber nicht wissen. Es war durchaus möglich, daß sich die Luft an jenem Tag anfühlte wie im Hochsommer, aber das Wasser fühlte sich an wie an einem Tag im Frühwinter, bevor Eis die Oberfläche überzieht. In seinem Nervensystem hatte es fast einen Kurzschluß gegeben. In seinen Lungen war die Luft zum Stocken gekommen, sein Herz hatte mitten im Schlagen ausgesetzt, und als er auftauchte, glich er einem Wagen mit leerer Batterie, und er brauchte einen Blitzstart, brauchte ihn schnell, und wußte nicht, wie er es bewerkstelligen sollte. Er wußte noch, wie hell die Sonne geschienen hatte, wie sie zehntausend Goldfunken aus der blauschwarzen Wasseroberfläche herausschlug, er erinnerte sich an Harry Black und Randy Wister, die am Ufer standen, wie Harry die verblichene Turnhose über sein massiges Hinterteil zog, wie Randy nackt dastand, nackt mit der Badehose in der Hand, und rief: Wie ist das Wasser, Thad?, als er auftauchte, und er hatte nur denken können: Ich sterbe.
    Ich bin hier in der Sonne mit meinen beiden besten Freunden und die Schule ist aus und ich habe keine Hausaufgaben und im Fernsehen gibt es heute abend Mr. Blandings Builds His Dream House und Mom hat gesagt ich dürfte vor dem Fernseher essen, aber ich werde es nicht sehen, weil ich dann tot bin. Was nur Sekunden zuvor müheloses, unkompliziertes Atmen gewesen war, war eine verklumpte Turnsocke in seiner Kehle, etwas, das er weder herausstoßen noch einsaugen konnte. Sein Herz lag wie ein kleiner, kalter Stein in seiner Brust. Dann war er durch, er holte tief und keuchend Luft, seinen ganzen Körper überlief eine Gänsehaut, und er hatte Randy mit der gedankenlosen, boshaften Schadenfreude, zu der nur kleine Jungen imstande sind, zugerufen: Das Wasser ist prima! Spring rein!

    Erst Jahre später ging ihm auf, daß er damit einen von ihnen oder beide hätte umbringen können, so, wie er sich selbst beinahe umgebracht hatte.
    So fühlte er sich jetzt; er befand sich in genau demselben Zustand völligen körperlichen Stillstands. Bei der Armee hatte es eine Bezeichnung für etwas dergleichen gegeben — was war es noch gewesen? Ein Komplettscheiß. Ja. Gute Bezeichnung. Wenn es um das Erfinden solcher Ausdrücke ging, war die Armee nicht zu schlagen. Nun saß er hier mitten in einem ganz großen Komplettscheiß. Er saß auf dem Stuhl, vorgebeugt, den Hörer noch in der Hand, und starrte auf den leeren Fernsehschirm. Er war sich vage bewußt, daß Liz an der Schwel e erschienen war, daß sie ihn zuerst fragte, wer das gewesen war, und dann,

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