Stark gegen Stress
Weg bahnt und der Topf explodiert. Das kann in Form eines unkontrollierten Wutausbruches sein, es kann in extremster Ausprägung aber auch der totale Ausraster sein mit erschreckender Gewalt gegen Objekte oder Mitmenschen.
Variante 2: ungefiltert Dampf ablassen (anger out)
Es ist normal, dass wir manchmal die Nerven verlieren und laut werden. Wenn ein solches Verhalten zur Regel wird, ist das aber kein angemessener oder gesunder Umgang mit Stresssituationen. Wer seine Frustrationen systematisch nach aussen richtet, unwirsch und gereizt reagiert, Kollegen, Kinder oder die Partnerin, den Partner anfährt, laut herumschreit, mitGegenständen um sich wirft oder sie demoliert, der belastet die sozialen Beziehungen. Eine solche Person macht sich unbeliebt und läuft Gefahr, gemieden zu werden. Zwar sind viele Menschen, die Zeuge solcher Ausbrüche werden, zunächst eingeschüchtert, doch gleichzeitig eben auch irritiert, verängstigt, schockiert und befremdet. Die Person, die sich nicht im Griff hat, wird als inkompetent, als nicht stressresistent und emotional labil wahrgenommen. Das wiederum führt bei ihr zum Gefühl, abgelehnt zu werden, nicht zu genügen; und damit zu noch mehr Stress.
GUT ZU WISSEN
Den Ärger ignorieren – das funktioniert leider nicht. Studien zeigen: Auch wer nach aussen hin cool bleibt und meint, er verdränge seinen Ärger erfolgreich – «das macht mir alles gar nichts aus» –, zeigt bei Messungen die typischen physiologischen Stressreaktionen (erhöhter Puls und Blutdruck, Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin, Kortisol).
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Variante 3: den Ärger weitergeben (anger substitution)
Diese Variante ist eine Kombination der Varianten 1 und 2. Im Volksmund werden solche Menschen zuweilen als «Velofahrer» umschrieben: Sie halten sich gegenüber Autoritätspersonen wie Vorgesetzten zurück (buckeln), treten dafür aber gegen unten, indem sie Menschen in schwächeren Positionen (Untergebene, Kinder) oder Tiere schikanieren und ihren Frust an ihnen auslassen.
Auch dieser Umgang mit Stress und Frustration ist weder der betreffenden Person noch den Menschen in ihrer Umgebung zuträglich, da er häufig mit Schuldgefühlen einhergeht. Seitens der von der Aggression Betroffenen ruft dieses Verhalten Rückzug und Ablehnung, aber auch Verachtung hervor, wenn sie realisieren, dass sich die Person ihre Ärgerentladung nur bei Schwächeren erlaubt.
Variante 4: die Wut im Griff (anger control)
Den Ärger weder leugnen und verdrängen noch ihn ungefiltert und cholerisch loswerden oder unfair an Schwächeren ausleben, sondern ihn kontrolliert zum Ausdruck bringen: Das ist der Weg der Wahl.
TIPP Überlegt Lösungen suchen und die Situation zuerst umsichtig analysieren, bevor man reagiert, ist das beste Mittel gegen Stress und für einen verträglichen sozialen Umgang.
Kleine Ursache, grosse Wirkung: Stressintensität
Keine Frage, die täglichen kleinen Ärgernisse nerven; doch wenn sie vorbei sind, sind sie in aller Regel vorbei: Die Rechnung für den Lackschaden am neuen Auto ist bezahlt, die Aufregung hat sich gelegt; die milde Kritik der Chefin für eine falsche Angabe in der letzten Präsentation ist entgegengenommen und verdaut; verraucht sind auch der Frust und die Enttäuschung über das Chaos, das die Teenager nach der letzten Party in der Wohnung hinterlassen haben. Der ganze Stress hat sich als weniger relevant erwiesen als anfangs in der Hitze des Gefechts gedacht. Da ist nichts, was nachhängen würde. Meistens verdauen wir Alltagsstress relativ schnell, und alles entpuppt sich nach dem Verrauchen des ersten Ärgers als halb so schlimm.
Doch es gibt eben auch die anderen Fälle: jene, bei denen uns eine vermeintliche Nichtigkeit komplett aus der Fassung bringt und uns auch Tage und Wochen später noch beschäftigt. Die banalen, aber schwer verdaulichen Ereignisse, über denen wir endlos brüten und die uns nicht richtig loslassen.Wie kommt es, dass wir uns von Kleinigkeiten so sehr aus dem Konzept bringen lassen? Dass sie uns so nachhaltig beeinträchtigen und wir uns so klein und hilflos, so verletzlich fühlen?
NINA M., eine 40-jährige Frau, geht bei Rot über den Fussgängerstreifen. Auf der anderen Seite wartet ein alter Mann auf grünes Licht. Er spricht sie sofort darauf an, dass sie sich verkehrswidrig verhalten habe. Nina denkt zuerst, dass er einen Spass machen will. Sie gibt ganz freimütig zu, nicht auf Grün gewartet zu haben – es seien ja keine Autos gekommen,
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