Starke Frau, was nun?
dass sie den lebend übersteht, grenzt an ein Wunder) hinter sich gebracht hat – inzwischen hält sie ein riesiges Bukett aus sterbenden roten Rosen im Arm –, betreten sie die ehrwürdigen Hallen des Standesamtes.
Und hier traut sie tatsächlich ihren Augen nicht mehr: Die verräterischen Suffragetten haben sich nämlich versammelt. Alle! Gertrud bringt es sogar auf ein falsches Lächeln, als sie geschlossen zu ihr eilen. »Wir dachten ...«
Peggy, inzwischen wieder ohne Verband, übernimmt wie immer kurzfristig. »Wir dachten uns, dies wäre ein wunderbarer Zeitpunkt, das Kriegsbeil zu begraben. Ich habe deinen Zukünftigen schon kennengelernt; na ja, dafür, dass es ein Mann ist, scheint er akzeptabel.«
Langsam nickt Lisa. Sie spürt die Wut in sich – noch ganz weit unten befindlich –, aber sie weiß, dass sie sich hocharbeiten wird – zuverlässig. »Ihr seid nicht zufällig hier, um zu kontrollieren, ob ich nicht doch den verdammten Ami heirate, oder?«
Gertrud, Rita, Peggy und Klara sind mit allen Wassern gewaschen und verneinen sofort und glaubwürdig – denken sie. Nur Katrin wird rot.
»Und es ist natürlich auch ein bombastischer Zufall, dass gestern die letzte Sendung lief, worauf ihr heute hier antanzt, ja?«, bohrt Lisa weiter.
Gertrud hebt die Schultern. »Du hast den Scheiß endlich hingeschmissen und wir sind nicht nachtragend. Also, warum ...«
»Fein!« Lisas Zischen hallt bedrohlich in dem hohen, gewölbeartigen Flur. »Aber ich! Leckt mich! Alle!«
Damit wendet sie sich ab und geht mit ihren zunehmend schmerzenden Füßen (derzeit mindestens zwei Blasen, Tendenz steigend) zu einigen von Roberts Kollegen. Die wirken etwas furchtsam, als sie lächelt – wohl zu viel Zähne gezeigt, aber immerhin ohne Lippenstift. »Hey!«
»Unerhört!«, knurrt Rita in ihrem Rücken.
»Das hast du nicht umsonst getan, Lisa!«, keift Peggy. »Man sieht sich immer zweimal im Leben!«
Ohne sich umzudrehen, hebt die ihre rechte Hand; wie immer und gut sichtbar ausgefahren: der legendäre Finger. Als hinter ihr ein kollektives entrüstetes Luftholen ertönt, grinst sie breit und leicht irre. Es hält sich nur nicht lange, weil plötzlich eine Stimme ertönt, die sie nur gut kennt ...
... und die sie heute bereits einmal zu häufig vernommen hat.
»Meine Damen, sind Sie zur Eheschließung meiner Tochter eingeladen?« Die Wahnsinnige! Unwillkürlich zieht Lisa den Kopf ein, nur für den Fall, dass Mechthild auf die Idee kommt, sie wieder mit einem Kleenex zu bearbeiten.
»Was geht Sie das an?«
»Wie ich soeben erwähnte, ich bin die Mutter.« Ups, der Wahnsinn ist verflogen! Genau rechtzeitig. »Würden Sie bitte meine Frage beantworten?«
»Nein, sind wir nicht; wir dachten, wir kommen spontan vorbei ...«
»So ist das also ...« Lisa sieht es nicht, aber sie weiß genau, dass Mechthild behäbig und sehr bedeutsam nickt. »Nun, ich hatte nicht den Eindruck, dass Lisa auf Ihre Anwesenheit gesteigerten Wert legt. Dies ist für sie ein einmaliger Tag, ich bitte Sie, ihre Wünsche zu respektieren und zu gehen.«
Lisa weiß, dass sie folgen werden; niemand kann dem Befehlston ihrer Mutter widerstehen.
Genau so kommt es auch, selbst das entrüstete Schnauben bleibt aus. Als sie sich umdreht, sind die miesen Schachteln verschwunden und Mechthild tritt mit erhobenen Brauen zu ihr. »Ich hatte sie geistig wacher in Erinnerung«, kommentiert sie lakonisch.
In diesem Moment öffnet sich die Tür des Trausaals und ein frisch verurteiltes Paar tritt heraus. Sie: blond mit albernen Perlen im Haar und nachgemachter Schleppe; er: im Smoking und mit gegelten Locken – beide mit identischem Grinsen.
Stöhnend wendet Lisa sich ab. »Was für ein Scheiß!« Erst dann fällt ihr ein, dass ihre Mutter noch immer neben ihr steht und sie fügt hastig hinzu. »Ich hasse diesen Kitsch! Warum müssen die Leute immer alles übertreiben?«
Kopfschüttelnd und äußerst analytisch wird sie von Mechthild begutachtet. »Manchmal …«, seufzt die, »... frage ich mich, was wir bei dir falsch gemacht haben.«
Anstatt zu antworten, fixiert Lisa den Raum, aus dem noch immer die Trauergesellschaft ihrer Vorgänger strömt. Es müssen weit über fünfzig Personen sein. Nun, auch zu ihrem Drama sind bereits etliche Leute eingetroffen – viel zu viele, wenn es nach Lisa geht. Roberts Kollegen, Studenten – sie winkt eilig –, Biggy, Freunde aus der Straße, alte Studienkumpels, Freunde aus der Umweltgruppe.
»Wo ist
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