Starke Frau, was nun?
weniger realistisch erscheint, macht sie dem Klischee wohl alle Ehre, denn sie findet keinen Schlaf.
Robert hat diesbezüglich mit bedeutend weniger Problemen zu kämpfen. Nach dem obligatorischen vorehelichen Sex (sie oben, er begeistert unter ihr) hat er sich auf die Seite gedreht und ist sofort eingeschlafen. Er schnarcht – laut. Angestrengt bemüht sich Lisa, das störende Geräusch zu ignorieren.
Morgen früh wird sie so mies aussehen! Dicke, fette, verquollene Augen, blasse, fleckige Haut, strähniges Haar. Aber das ist bei einer Braut wohl Standard.
Eher, um sich abzulenken – als aus echtem Interesse –, lauscht sie in sich hinein, sucht nach Aufregung und findet nichts. Nun ja, sie war noch nie der emotionale Typ, warum sollte sich das plötzlich ändern, nur weil sie heiratet?
»Robert!«, knurrt sie, als dessen Geschnarche stetig an Volumen zunimmt.
Toll!
Kurz vor der Hochzeit muss sie erfahren, dass sie die nächsten dreißig Jahre mit einem fiesen Schnarcher zubringen wird! Lisa beschließt, ab sofort auf die Wohnungssuche aktiven Einfluss zu nehmen. Denn wenn sie das in jeder Nacht durchstehen soll, ist es um Roberts Überlebenschancen ehrlich schlecht bestellt.
Sie schließt die Lider und versucht, an etwas Angenehmes zu denken. Leider will ihr so gar nichts Passendes einfallen; außerdem wird sie permanent abgelenkt, weil neben ihr ein Wald nach dem anderen getötet wird.
»ROBERT!«
Na klasse! Jetzt hat er sich auf den Rücken gelegt und ackert aktiv an der Vernichtung des brasilianischen Regenwaldes.
Verbrecher! Würde Lisa echt mal interessieren, wie ein so schmaler Körper einen derart tiefen und durchdringenden Laut zustande bringen kann – anhaltend!
Als er die mechanische Säge beiseitelegt und auf die motorisierte Variante umsteigt, lehnt sie sich zu ihm hinüber. Bei jedem Einatmen sieht er aus, als würde er würgen und beim Ausatmen zittert die Unterlippe.
»Hör auf!«
Keine Reaktion. Nachdem ungefähr der zweitausendste Baum erfolgreich dem grausamen Serienkiller zum Opfer gefallen ist, hält sie ihm einfach die Nase zu – fest.
»Hnnnn!« Er versucht doch glatt, ihre Hand wegzuschlagen. Boah! Der Kerl ist gewalttätig! Okay, jedenfalls, wenn er schläft, aber immerhin. Das reicht! Entschieden rüttelt Lisa ihn wach.
Es dauert alles seine Zeit, doch irgendwann ist Robert tatsächlich bei sich und die Kettensäge damit verstummt. »Was ist?«
»Du schnarchst!«
»WAS?«
Lisa stöhnt. »Du schnarchst; ich kann nicht schlafen!«
Noch einmal dauert es eine ganze Weile, bis Robert endlich begriffen hat. »Tut mir leid!«, haucht er in sich gekehrt. »Wecke mich, wenn es wieder so weit ist.« Er küsst sie, legt sich auf die Seite und ... schnarcht weiter!
»ROBERT!«
Diesmal zuckt er sichtlich zusammen und sein Blick wirkt ziemlich irre. »Was ist passiert?«
»DU SCHNARCHST SCHON WIEDER!«
»Dann leg dich auf die Couch!«, murmelt er – bereits wieder im Wegnicken inbegriffen.
»ICKE?«
Selbst für die wirklich pazifistisch veranlagte Lisa bringt diese unverfrorene Bemerkung das Fass zum Überlaufen. Diesmal gerät ihr Schütteln ernsthaft brutal, und als er nach kurzen fünf Sekunden mehr oder weniger im Bett steht, hat sie nur einen energischen Finger in Richtung Wohnzimmer auf Lager.
HA!
Die beiden verstehen sich ohne Worte; nach kürzester Zeit hat Robert Decke und Kissen zusammengerafft und tappt durch die Dunkelheit. Kurz darauf hört sie ein Klirren, dann einen unterdrückten Schrei. »Das war nur ein Glas vom Tisch!«, ruft er und Lisa stöhnt. Trottel! »Hab den Splitter gefunden!«
»Aha, und wo ist er?«
»In meinem Fuß!«
»Wirf ihn gleich weg, nicht dass sich noch jemand verletzt!«, rät Lisa fürsorglich, dann dreht sie sich um, kuschelt sich in ihre Decke ein und ...
... schläft nicht.
Nun ja. Alles hat sein Gutes, oder hatte es zumindest, denn dies ist ja ihre letzte Nachtschicht.
Die schlaflose Nacht dauert nicht lange an – bis die Dämmerung heranbricht und sich der legendäre Tag ankündigt.
Wenigstens etwas ...
* * *
Als es an der Tür hämmert, schreckt Lisa hoch und schaut sich wild und total desorientiert um.
Was-wie-wo?
Stöhnend rauft sie sich das Haar – offenbar ist sie doch irgendwann eingeschlafen. Mit einem Auge (das andere kneift sie zu) sieht sie auf den Wecker und stöhnt erneut. Yeah ... vor einer halben Stunde.
Das Klopfen setzt wieder ein, noch ärger als zuvor, als würde derjenige – wer immer es ist
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