Starke Frau, was nun?
kritisch. »Konntest du deinen Fön nicht finden?«
Lisa, noch im Radelmodus, kann sich nur mit Mühe daran hindern, den legendären Finger zu heben, und ihre wüste Entgegnung bekommt sie im letzten Moment noch in etwas annähernd Unverdächtiges umgelenkt. »Fi...iel zu gut, geht’s mir«, knurrt sie, nachdem ihre Atemschutzmaske verschwunden ist. »Könnte mir jedenfalls vorstellen, dass du das so siehst.«
»Oh, du unterschätzt mich, Honey. Eines meiner vorrangigsten Ziele ist es, dass es meinen Leuten gut geht. Alles andere schadet dem Geschäft.«
Schon allein für das ›Honey‹ möchte sie ihm am liebsten eine klatschen, von ›meine Leute‹ ganz zu schweigen, aber selbst Lisa weiß, wann es besser ist, zu schweigen. Schließlich geht es hier um ihren Job, wenn sie die Sachlage richtig einschätzt, denn auf dem Tisch macht sie etliche Papierstapel aus. Verdammt! Der Kerl will sie tatsächlich feuern! Das können nur die Aufhebungsverträge sein.
Rasch sondiert sie die Lage; sie sind zu dritt: zwei Männer, eine Frau – sie also geschlechtlich in deutlicher Unterzahl. Na wundervoll! Auch noch heimlich, still und leise. Aber da haben sich die beiden geschnitten. Betont lässig setzt sie sich, verschränkt die Arme und mustert den Macho kalt.
Der lächelt. »Was willst du trinken. Einen Kaffee?«
Was die Angesprochene zu einem verächtlichen Schnauben veranlasst. »Ich hole dir deinen Kamillentee«, seufzt Meyer und verschwindet, während dieser Möchtegern-Ami in einem fingierten Hustenanfall gefangen ist.
Dafür kassiert er von Lisa einen vernichtenden Blick, welcher natürlich strikt ignoriert wird, und blättert stattdessen in den Papieren; die Stirn gerunzelt.
Kein Ton fällt – also ist der Knaller auch noch feige. Na ja, alles andere hätte sie auch echt verwundert. Erst als Meyer zurückkommt, schaut der Chauvi auf. »Tee auch endlich da? Können wir dann? Great!«
Lisa verzieht das Gesicht, und auch einen der Blätterstapel, den er ihr hinüberschiebt, betrachtet sie nur abfällig. »Was ist das?«
»Die Reaktionen auf unsere gestrige gemeinsame Stunde«, grinst er. »Ich habe sie eigenhändig gezählt und gelesen. 1200 Mails. Die Meinungen halten sich die Waage. Die Hälfte ist der Ansicht, ich sei ein grausamer, fleischfressender Loser und die andere hält dich für eine durchgeknallte Ökochick. Aber in einer Hinsicht sind alle einer Meinung ... They love it!«
Meyer lacht dämlich und Lisa versteht mal wieder nur Bahnhof.
»Ach echt?« Endlich wagt sie, ein Blatt genauer anzusehen.
Birgit Rausch:
Hey, Ihr beiden!
Habe mich selten so gut amüsiert, obwohl ich nicht verstehen kann, wie man so etwas essen kann, Chris - kopfschüttel. Lisa, nichts für ungut, aber das ›gay‹... Ist doch ziemlich offensichtlich, dass der Mann hetero und sexy ist. Oder wolltest Du ihn nur verarschen? Wie wäre es mal mit einem Foto, Chris? Auf Eurer Website? Und wann kommt die nächste Sendung mit Euch beiden?
Viele Grüße!
Euer größter Fan (Birgit)
Lisa schaut auf. »Ja, und nun?«
Fragend konsultiert Chris seinen männlichen Kollegen. »Du oder ich?«
Meyer neigt den Kopf zur Seite. »Ich lasse der Jugend gern den Vortritt.«
»Oh, thanks.« Der Ami lehnt sich zurück und mustert sie unerwartet ernst. »Wir müssen unbedingt die Quoten erhöhen, sonst we´re away from the Fenster. Deshalb bin ich hier: Der Sender pfeift derzeit auf dem letzten Loch ...«
Meyer zuckt zusammen, doch ihr ehrenwerter neuer Chef nickt ungerührt. »Ich habe die vergangenen zwölf Stunden damit verbracht, das Programm und die Einschaltquoten zu studieren. Deine Sendung ist die bei Weitem erfolgreichste ...«
Lisas Kinn hebt sich ein wenig. HA!
»... deshalb hätte ich sie in jedem anderen Fall zunächst unangetastet gelassen ...«
»Hätte ...«, echot sie düster.
»Yeah ...« Sein Grinsen hat etwas Begeistertes. »Du hast gestern das richtige Stichwort gegeben.«
Überrascht deutet sie mit ihrem Daumen auf sich. »ICH?«
»Exactly. Von heute an wird der Countdown in etwas anderem Format gesendet ...«
Unvermutet fühlt sie Übelkeit in sich aufsteigen. Chris – wieder nur mit einem mäßig geschlossenen Hemd bekleidet - schwillt vor lauter Stolz sichtlich an. »Radtke und Scout – das Moderatorenduo.«
»NEIN!« Sie hat es gerufen, bevor sie sich beherrschen kann.
Er lehnt sich vor; seine Augen blitzen.
»Oh doch, Bunny, oh doch!«
* * *
7. Der Ami und die Berliner Göre
Lisa bleibt nicht
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