Starke Frauen
sie, Lehrer in New York und schwarz: Sie bleiben fast zehn Jahre ein Liebespaar, trennen sich im Guten, weil er Kinder will und sie keine mehr haben kann. »John tat mir gut. Seine Lebenslust war ansteckend. Er forderte nichts. Er gab mir Sicherheit, Sex und Selbstachtung.« Die »Porno-Tante« und ein »schwarzer Affe« (für Ewe). Nichts haben ihr die deutschen Männer und die Presse so übel genommen wie diese Beziehung. 1972 verbreitete die Deutsche Bürgerinitiative per Flugblatt, Beate Uhse sei »das Symbol für den Untergang eines großen Kulturvolkes«.
Am 9. Mai 1972, dem 18. Geburtstag ihres gemeinsamen Sohnes, wird Frau Rotermund von Ehemann Ewe geschieden: »Bei mir stellte sich ein wunderbares Gefühl ein: Du kannst das. Du schaffst es auch allein.« Und lässt sich liften.
1975 wird in Deutschland Pornografie für Erwachsene erlaubt. Uhse steigt voll in das Geschäft ein – mit Filialen in allen großen Städten, Blue-Movie-Kinos, selbst verlegten Büchern; später wird sie als eine der Ersten beim E-Commerce mitmachen, auch der Börsengang kommt lange vor dem Aktienboom. »Spaß am Sex ist ein legitimes Recht«, predigt sie. Und macht sich damit nicht nur Freundinnen: 1988 wird sie zur Zielscheibe von Alice Schwarzers Anti-Porno-Kampagne: Beate Uhse sei eine »Emanze, die es mit Kerlen hält. Gestern mit Bombe. Heute mit Pornos«. Das tut weh.
Frauen-Solidarität erfährt sie dafür aus einer unerwarteten Ecke: Als man bei Beate Uhse 1983 Magenkrebs diagnostiziert, soll sie im katholischen Marien-Krankenhaus in Hamburg operiert werden. Sie hat Angst, die Ordensfrauen, die dort als Schwestern arbeiten, würden sie für ihre »Sünden« büßen lassen. Das Gegenteil passiert. Sie erfährt Mitgefühl wie sonst kaum: »›Wir werden Sie so gut betreuen, wie wir können, und alle meine guten Gedanken werden bei Ihnen sein‹, sagte die Oberschwester. Mir kamen die Tränen.« Beate Uhse überlebt, ihr erster Sohn Klaus stirbt 1984 – an Krebs.
Mit 75 Jahren macht Beate Uhse ihren Tauchschein: »Du kannst einer Schildkröte hinterherschwimmen und sagen: ›Hallo, Putzi, wiegeht’s da unten?‹« 1995 steigt sie in den E-Commerce ein, die Computerwoche lobt ihren »Pioniereinsatz«. Ihr ein Jahr später eröffnetes Erotikmuseum in Berlin ist das größte Europas. Und mit 79 Jahren bringt sie ihr Imperium an die Börse.
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»Ich bin weder stolz noch schäme ich mich«
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Auch die Kirche versöhnt sich mit der neunfachen Großmutter und bringt an dem Flensburger Pastorat der St. Marienkirche, in dem sie einst mit Ewe wohnte, eine Gedenktafel an. Es folgt das Bundesverdienstkreuz. Während des Festaktes muss sie an ihre unbeugsame Mutter denken, die ihr den Drahtseilakt zwischen Anpassung und Eigenständigkeit als Erste vorlebte.
1999 beschäftigt sie 779 Mitarbeiter und darf sich in das Goldene Buch der Stadt Flensburg eintragen.
Nach der Trennung von John bleibt sie unbemannt. Die deutschen Männer wissen zu viel von Beate Uhse. »Sie finden es toll mit mir, sie trinken mit mir Whisky, aber wenn es ernst wird, gehen die Seelenschotten runter.« Von wegen Lotterleben. Männer haben Angst vor emanzipierten Frauen. »Die erwarten einen eingesprungenen Axel rückwärts vom Küchenschrank. Aber ich bin ja eine ganz normale Frau.« In drei Männer war sie verliebt, mit insgesamt fünf hat sie geschlafen.
2001 stirbt Beate Uhse fast 82-jährig in St. Gallen. Ihr Lebenswerk ist es, den Menschen nahegebracht zu haben, was stets ihr eigenes Credo war: »Erst die Liebe macht das Leben lebenswert.«
Richard Wagner ist Ende 1882 mit der Familie nach der triumphalen Uraufführung seiner Oper Parsifal in Bayreuth nach Venedig gereist, um sich zu erholen. Er schreibt einen Essay: »Über das Weibliche im Menschlichen«. Die Oper hat er bereits revolutioniert, jetzt gedenkt er, auch die Menschheit umzukrempeln. Plötzlich hört ihn seine Frau Cosima stöhnen. Der Arzt kann nur noch seinen Tod feststellen.
Cosima bleibt erstarrt neben dem Leichnam sitzen. 25 Stunden. Als sie endlich bereit ist, sich hinzulegen, muss man den Toten neben sie legen, sie schläft mit dem Kopf auf seiner Schulter ein. Sie will, nach 20 Jahren einer beispiellosen Lebens- und Schaffensgemeinschaft, mit ihm im »Liebestod« vereint bleiben, wie Tristan und Isolde. Dann schneidet sie sich die Haare ab, legt sie in seinen Sarg, trägt ab sofort nur Schwarz und überlebt ihn um 47 Jahre.
Erstmals begegnen sich die beiden am 10. Oktober
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