Starke Frauen
die Beine bringt.
Als US-Präsident Herbert Hoover Clärenore allein nach Washington einlädt, sagt sie ab. Erst als die Einladung um Söderström erweitert wird, erscheinen sie im Weißen Haus. Nordamerika. Endlich Asphaltstraßen! Vorbei die Zerreißprobe für Mensch und Material. Henry Ford führt ihnen die Fließbandproduktion seiner Autos vor. Von der Presse werden sie wie Kriegshelden bejubelt.
12. Juni 1928, Europa. In Le Havre wartet Söderströms Ehefrau, siefährt mit nach Berlin. Die Fahrt verläuft einsilbig. Viel Ungesagtes liegt in der Luft.
Am 24. Juni 1929 erreichen sie Berlin. Der Tachometer zeigt 46 758 Kilometer. Die Autos werden mit Lorbeerkränzen geschmückt, Fahrerin und Beifahrer wie Lindbergh gefeiert.
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»In 46 Jahren Ehe gab es keine Meinungsverschiedenheiten«
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Zu Ehren Söderströms beschließt Clärenore, nach Stockholm weiterzufahren. Man muss doch gemeinsam die Filme sichten, die er drehte. Die Wahrheit ist: Sie haben endlich eingesehen, dass sie ohne einander wahnsinnig werden. Die Hochzeit findet am 20. Dezember 1930 statt, ab 1931 bewirtschaften sie einen schwedischen Gutshof: »Der Alltag ist tatsächlich genauso spannend wie eine Weltreise im Auto«, sagt sie. Und nach seinem Tod: »Uns hätte man in der Südsee aussetzen können oder in Grönland – wir haben uns überall verstanden. In den 46 Jahren unserer Ehe gab es keine Meinungsverschiedenheiten.«
Die Welt, die Clärenore nach der Heimkehr vorfindet, ist eine andere als diejenige, die sie 26-jährig verlassen hat. Es gibt Tankstellen, Tonfilme und die Frauenbewegung. Richtig, sie ist in einem Männeranzug losgefahren, um den Herren zu beweisen, dass sie besser fahren, organisieren, trinken, herumkommandieren kann als diese. Aber sie erkannte: »Frauen sind nicht besser, aber genauso gut wie Männer.« Und: Sind die Männer in Krisen- und Kriegszeiten erschöpft, schlägt die Stunde der Frauen.
Beates Mutter Margarete Köstlin-Räntsch wollte Medizin studieren. Da man dazu Abitur benötigte, was es seinerzeit nur auf Schulen für Jungen gab, überzeugte sie ihre Eltern, sie in eine reine Jungenklasse einzuschreiben. Sie wurde eine der ersten Ärztinnen Deutschlands. »Das war eine Pionierleistung«, schreibt die Tochter in ihren Memoiren, »sie war schon emanzipiert, ehe es das Wort gab.« Auch nach der Heirat mit dem Landwirt Otto Köstlin und dem Umzug von Berlin nach Ostpreußen auf das Gut Wargenau (heute das russische Selenogdansk) praktiziert sie weiter als Kinderärztin. Es war die Bedingung für ihr Jawort, ihren Beruf nicht aufgeben zu müssen.
Das Mädchen Beate spielt mit Jungen Indianer, trägt Lederhosen und kurzes Haar. Sie ist ein schlaksiges, burschikoses Landgör, das sich nichts gefallen lässt. Der Vater zeigt ihr, wie sich Pferde und Kühe paaren, Mama empfiehlt: »Lass doch den Badeanzug weg«, wenn sie in der Ostsee schwammen: »Nacktheit war mir zu etwas Vertrautem geworden.« Ebenso wie das Liebemachen. Frau Köstlin erklärt ihrer jüngsten Tochter früh, Geschlechtsverkehr sei eine wunderbare Sache. Und man könne ja auch aufpassen, es gebe Kondome. Aufgeklärt war sie. Die Liebe jedoch, dieses romantische Herzflattern, rote Ohren beim Anblick des Geliebten – »die war mir unheimlich«.
Beate beschließt, weder Ärztin wie Mama zu werden noch Gutsdame, wie es der heiß geliebte Papa wünscht, sondern Pilotin. Man lässt, ja ermutigt sie: »Wenn du etwas als Frau wirklich willst, dann schaffst du es!«, verkündet der Vater. Das prägt. Beate lernt als Kind nie den Reiz des Verbotenen kennen, später wird sie sich als Unternehmerin nie als Tabu-Brecherin verstehen.
In Rangsdorf bei Berlin werden 59 Männer und »Maxe« (Beates Spitzname) zu Piloten ausgebildet. Angst vorm Fliegen? Von wegen, eher »das wunderbare Gefühl absoluter Freiheit«. Den Flugschein schenkt sie sich zum 18. Geburtstag. Einer der Gratulanten ist auch ihr charmanter Fluglehrer Hans-Jürgen Uhse. Sie treffen sich monatelang heimlich, »ich schaute zu ihm auf«, er bittet sie, »alles zusammen zu tun, was ein Liebespaar miteinander tut«. Das »erste Mal« hat sie keinen Orgasmus, aber er war zart und geduldig. Und so »erlebte ich seinen Orgasmus wie ein faszinierendes Naturwunder«.
Der »furchtbare Schrecken« stellt sich erst ein, als er sie heiraten will, denn »die Fliegerei wollte ich unter keinen Umständen aufgeben«. Da ist sie ganz die Mutter. Am 28. September 1939 wird »Maxe« Frau Uhse, den
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