Starker als dein Tod
Beamten ihn den Gang entlangführten, dachte er daran, dass er vermutlich nur zwei Minuten hatte, um sich einen Plan auszudenken. Andererseits war er immer schnell im Denken gewesen.
Er hoffte nur, dass ihm rasch genug etwas einfiel, um sein Leben zu retten.
Um vier Uhr in der Frühe waren die Gefängniskorridore so spärlich erleuchtet wie eine Unterwasserhöhle. Emily Monroes Schritte hallten von den Wänden und Stahltüren wider, als sie zur Krankenstation eilte. Ihre Schicht begann nicht vor fünf, aber sie war früher gekommen, um ein paar Nachforschungen anzustellen. Sie hatte viele Fragen, die beantwortet werden wollten. Was zum Beispiel mit den beiden Häftlingen geschehen war, die auf die Station gekommen und nie wieder in ihre Zellen zurückgekehrt waren. Da Dr. Lionel offenbar keine Erklärung abgeben wollte, musste sie auf eigene Faust nach Antworten suchen.
Am Ende des Korridors zog sie ihren Sicherheitsausweis durch das Gerät und gab danach den vierstelligen Code auf dem in der Wand eingelassenen Tastaturfeld ein. Das Stahlschloss klickte, und sie schob die Tür auf.
Auf der Krankenstation war es so dunkel und still wie auf einem Friedhof. Was ihr merkwürdig erschien angesichts der Tatsache, dass die Station rund um die Uhr besetzt war, sieben Tage die Woche. Bei der vollkommenen Stille richteten sich ihre feinen Nackenhaare auf.
Irritiert schlich sie auf Zehenspitzen zu der zweiten Tür, durch die sie zu dem Aufnahmebereich, den Untersuchungsräumen und den Gefängniszellen gelangen würde. Wieder zog sie ihren Ausweis durch das Lesegerät, wartete, bis das rote Licht grün leuchtete, und öffnete die Tür. Wie bereits zuvor fand sie auch diesen Bereich der Station still und verlassen vor. Zumindest hatte sie erwartet, dass eine von Dr. Lionels Assistentinnen Nachtdienst hatte und in ihrem Büro saß und am Computer arbeitete. Wo waren alle abgeblieben?
Emily, die immer misstrauischer wurde, legte die Hand auf die Dose Pfefferspray an ihrem Gürtel und marschierte weiter den Flur entlang. Das leise Klackern ihrer Stiefel bei jedem Schritt entsprach ihrem Herzschlag, der viel zu rasch ging.
Sie betrat Untersuchungsraum eins und machte das Licht an. Sie sah eine Untersuchungsliege, Edelstahltische und eine höhenverstellbare Deckenlampe. Aber keine Menschenseele.
Emily war nicht leicht zu erschrecken, doch in den drei Jahren, die sie schon als Vollzugsbeamtin in Idahos
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-Gefängnis arbeitete, hatte sie gelernt, ihren Instinkten zu vertrauen. Und genau jetzt sagten ihr diese Instinkte, dass irgendetwas absolut nicht in Ordnung war.
Sowie sie die Tür zu Untersuchungsraum zwei geöffnet hatte und das Licht einschaltete, sah sie die Umrisse eines Mannes unter einem blutbefleckten Lacken auf der Untersuchungsliege. Sie schritt zu der Liege und zog das Laken fort. Eine dunkle Vorahnung ergriff sie, als sie in das wächserne Gesicht des Gefangenen schaute. Seine blauen Lippen. Etwas Blut war ihm aus der Nase gesickert und nun schwarz getrocknet. Seine Augen standen halb offen. Er war tot.
Ganz flau vor Angst berührte sie sein Gesicht. Sein Körper war noch warm. Was ging hier vor? Wo waren Dr. Lionel und seine Assistentin? Was war mit dem Häftling geschehen?
Sie dachte wieder an die anderen Insassen, die auf die Krankenstation gebracht worden und verschwunden waren. Seit Wochen stellte sie Fragen und forschte nach, aber niemand von den Verantwortlichen hatte ihr eine direkte Antwort gegeben. Heute Morgen hatte sie die Dinge selbst in die Hand nehmen wollen und war hier hergekommen, um sich umzusehen. Sie hatte nicht erwartet, eine Leiche zu finden …
Emily bemühte sich, nicht die Nerven zu verlieren, und griff nach ihrem Funkgerät. „Hier ist null-zwei-vier-neun. Ich habe einen Code …“
Eine Bewegung hinter ihr ließ sie verstummen. Sie wirbelte herum. Der glänzende Stahl einer Waffe blitzte auf. Sie erblickte schwarzes Haar. Dunkle Augen. Ein unrasiertes Kinn. Sie spürte, wie ein Adrenalinstoß durch ihren Körper schoss. Sie umklammerte das Walkie-Talkie fester und riss es an den Mund. „Code …“
Eine Hand schnellte hervor und schlug ihr das Funkgerät aus der Hand. Aus dem Augenwinkel sah sie es durch die Luft segeln. Sie hetzte zur Tür, doch augenblicklich war der Mann über ihr. Seine Hände hatten ihre Oberarme gepackt, noch bevor das Walkie-Talkie auf dem Boden landete.
„Sei mucksmäuschenstill, wenn du überleben willst“, befahl er, wobei seine
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