Starker als dein Tod
geschworen hatte, wenn sie nicht das tat, was er wollte.
„Ich werde nirgendwo hingehen“, erwiderte sie.
„Zieh ihn an“, wiederholte er mit scharfer Stimme.
Emily wollte nicht mit ihm gehen. Sie wollte ihm auf keinen Fall dabei helfen, zu entkommen. Das widersprach allem, woran sie glaubte, allem, wofür man sie ausgebildet hatte. Was noch schlimmer war: Es weckte Erinnerungen an das, was ihr Vater getan hatte. Und sie hatte sich geschworen, dass sie sich niemals auf diese Art und Weise in Misskredit bringen würde, wie es Adam Monroe gemacht hatte.
Sie sah zu, wie der Mann die Mäntel durchsuchte, die an den Haken hingen. Ihr Blick wanderte von ihm zu dem Alarmknopf an der Wand neben der Tür. Im ganzen Gefängnis waren solche Vorrichtungen verteilt, damit die Vollzugsbeamten im Notfall Hilfe holen konnten – ein Notfall wie dieser, in dem sie sich jetzt befand. Könnte sie den Knopf nur erreichen …
Emily starrte den Häftling an, ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Sie stand genau in der Mitte zwischen ihm und dem Alarmknopf. Wenn sie sich rasch bewegte, könnte sie den Alarm auslösen, ehe ihr Geiselnehmer sie zurückhalten könnte. Innerhalb weniger Minuten wären Dutzende Wärter hier unten, und der Mann hätte keinerlei Chance mehr zu entkommen.
Ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen war riskant. Es bestand die gar nicht so unwahrscheinliche Möglichkeit, dass er sie tötete. Schließlich steckte die Regierung keine netten Jungs ins
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. Dieses Gefängnis war den gewalttätigsten und gefährlichsten Häftlingen vorbehalten.
Konzentriert richtete sie ihren Blick auf den hervorstehenden roten Knopf. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, während sie sich näher schlich, Zentimeter für Zentimeter. Als sie nur noch einen Meter entfernt war, stürmte sie los.
Eine Millisekunde bevor ihre Hand den Knopf berührte, schlangen sich zwei Arme wie ein Schraubstock um ihre Taille. „Code drei!“, schrie sie und rammte ihm ihren Ellenbogen in den Bauch.
Seine Hand über ihrem Mund dämpfte den Schrei. Dann zog er sie vom Alarmknopf fort und wirbelte sie herum. Emily nahm ihre ganze Kraft zusammen und versuchte jede Art von Selbstverteidigung, die sie in den letzten drei Jahren gelernt hatte. Doch er war unglaublich stark und hielt sie mit einer Leichtigkeit in Schach, die sie verblüffte.
Kurz darauf fand sie sich mit dem Rücken an einen Spind gepresst wieder. In einer Mischung aus Zischen und Keuchen entwich der Atem ihren Lungen. „Nehmen Sie ihre Hände von mir!“
„Wenn du am Leben bleiben willst, sei still und hör mir zu!“
Während er sie gegen den Spind drückte, schaute er über die Schulter zur Tür, als ob er erwartete, dass jeden Moment jemand hereinkommen würde. Dann wandte er sich wieder ihr zu, seine dunklen Augen funkelten vor Ärger. „Was versuchst du hier? Willst du, dass jemand stirbt?“
„Ich versuche, einen gefährlichen Häftling an der Flucht zu hindern“, entgegnete sie.
„Ich bin nicht, was du glaubst“, stieß er gereizt aus.
Wenn sie nicht so verängstigt gewesen wäre, hätte Emily vielleicht gelacht. „Als Nächstes erzählen Sie mir, dass Sie unschuldig sind.“
„Liebes, ich bin weit davon entfernt, unschuldig zu sein, aber ich gehöre ebenso wenig in dieses Höllenloch wie du.“
Seine Stimme war wie das dumpfe Rollen des Donners, das einen gewaltigen Sturm ankündigte. Emily war sich seines Körpers bewusst, der sich fest gegen ihren presste. Sie spürte die Anspannung in seinen Muskeln, das Beben der adrenalingepeitschten Nerven.
Vor der Tür erklangen Schritte auf dem Zementboden. Der Gefangene versteifte sich. „Kein Wort“, flüsterte er. „Oder ich bringe um, wer auch immer durch diese Tür kommt. Ich schwöre es.“
Sie fühlte die Mündung der Waffe an ihrem Bauch. „Nicht“, sagte sie. „Ich tue alles, was Sie wollen.“
Durchdringend schaute er sie an, und sie sah in seinen Augen den Anflug einer Emotion, die sie nicht genau benennen konnte. So schnell, wie sie aufgetaucht war, war sie auch wieder verschwunden, und Emily fragte sich, wie diese Sache enden würde. Ob er sie umbringen würde. Ob er einen ihrer Kollegen töten würde. Ob sie diesen Tod für den Rest ihres Lebens auf dem Gewissen haben würde.
Er starrte sie einen nicht enden wollenden Moment mit einem verstörenden Ausdruck von Furcht und finsterer Entschlossenheit an. „Wenn du nicht willst, dass ich den Abzug drücke, schlage ich vor, dass
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