Starker als dein Tod
Augen bedrohlich funkelten.
Emily befreite sich aus seinem Griff und sprang zurück. „Zurücktreten, Gefangener! Jetzt!“ Sie versuchte autoritär zu klingen, hörte aber das ängstliche Beben in ihrer Stimme.
„Bleib ganz ruhig und greif mich nicht an.“ Er ging langsam auf sie zu. „Ich möchte dir nichts tun.“
Sie wusste nicht, ob es an der Pistole in seiner Hand oder an dem Ausdruck in seinen Augen lag, doch für einen kurzen schrecklichen Moment war sie starr vor Angst. Ein bewaffneter, verzweifelter Häftling, der nichts zu verlieren hatte – das war der schlimmste Albtraum eines jeden Wärters.
Sie machte einen Schritt zurück und hob die Arme, um ihn abzuwehren, obwohl sie wusste, dass es nichts nützen würde. „Bleiben Sie weg von mir.“
Er kam weiter auf sie zu. „Tu einfach, was ich sage, und dir wird nichts geschehen.“
Sie hörte die Worte kaum, so laut schlug ihr Herz. Sie sah auf die Waffe in seiner Hand und schätzte die Distanz zwischen ihnen ab, die Entfernung zur Tür. Sie fragte sich, ob sie es schaffen würde, das Funkgerät auf dem Fußboden zu erreichen, oder ob er ihr vorher in den Rücken schießen würde.
Einen Augenblick später besann sie sich darauf, was sie in ihrer Ausbildung gelernt hatte, und die Routine übernahm das Kommando. Mit einem Satz nach vorn trat sie ihm die Waffe aus der Hand. Die Pistole fiel zu Boden. Bevor er sie aufheben konnte, versuchte sie einen Handflächenschlag in sein Gesicht, den er jedoch abwehrte. Mit einer raschen Drehung ließ sie das linke Bein vorschnellen und landete einen Treffer in seinem Magen. Stöhnend stolperte er nach hinten. Rasch griff sie nach dem Pfefferspray an ihrem Gürtel. Sie riss die Dose hoch, während sie sich gleichzeitig nach dem Funkgerät bückte. Sie musste an das Walkie-Talkie kommen!
Er bewegte sich mit der Geschwindigkeit einer großen, hungrigen Raubkatze, die ihre Beute erlegte. In einer einzigen geschmeidigen Bewegung streckte er sich nach der Waffe und warf sich auf Emily. Mit der freien Hand schlug er ihr das Pfefferspray aus der Hand. Im nächsten Moment hielt er sie an den Schultern gepackt, wobei sich seine Finger in ihr Fleisch bohrten, und schob sie zurück in den Untersuchungsraum.
„Für eine Wärterin nimmst du Anweisungen nicht besonders ernst“, stieß er aus.
„Nehmen Sie Ihre Hände weg!“
„Beruhige dich und hör zu.“
Ein Schrei löste sich aus ihrer Kehle, als ihr Rücken die Wand berührte. Sie war festgenagelt. Sie versuchte, ihr Knie einzusetzen, wollte ihn so zu Fall bringen. Doch er verlagerte sein Gewicht geschickt zur Seite und wich aus. Sie wand sich, aber sein Körper war so hart und unnachgiebig wie eine Ziegelmauer. „Versuch das nicht noch mal, wenn du nicht so enden willst wie der Mann auf der Liege“, warnte er sie.
Seine Stimme war leise und gefährlich. Sie hörte den Hauch eines Akzents. Vielleicht Irisch. Allerdings hatte sie viel zu viel Angst, um länger darüber nachzudenken. Sein Gesicht war nur Zentimeter von ihrem entfernt. Er stand so nah, dass sie seinen warmen Atem an ihrer Wange spürte. Sie starrte in seine Augen, die die Farbe von dunkel gerösteten Kaffeebohnen hatten. Tödliche Entschlossenheit und Verzweiflung spiegelten sich darin wider. Sie begriff, dass er nicht der Typ für leere Drohungen war.
„Sie können nicht ernsthaft glauben, dass Sie mit dieser Sache durchkommen“, presste sie keuchend hervor.
„Doch, das ist genau das, was ich denke.“ Jeder Nerv in ihrem Körper war angespannt, als er sein Gewicht verlagerte und mit der Waffe auf sie zielte. „Nimm die Hände hoch.“
Emily hob die Hände bis auf Schulterhöhe. „Ich bin nicht bewaffnet.“
„Es ist nichts Persönliches, aber das überprüfe ich lieber selbst.“ Ohne den Blick von ihren Augen abzuwenden, fuhr er mit den Händen rasch und routiniert über ihren Körper. Sowie er die zweite Dose Pfefferspray an ihrem Knöchel ertastete, hielt er inne.
Verdammt
.
„Ich schätze, das hast du vergessen.“
„Ich bin gerne vorbereitet für den Fall, dass ich von irgendeinem miesen Häftling angegriffen werde.“
Als er die Dose in den Papierkorb warf, entdeckte sie eine blutende Verletzung auf der Innenseite seines Arms. Nicht von einer Abschürfung, wie er sie bei einem Handgemenge erlitten hätte, sondern von einem sauberen Schnitt. Die Art von Schnitt, die ein Arzt bei einem chirurgischen Eingriff vornehmen würde. Sie fragte sich, ob er Dr. Lionel bei irgendeiner
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