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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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die Damen viel liebenswerter, wenn sie sich darauf beschränkten, uns mit ihrer Schönheit zu inspirieren, anstatt sich in alles einzumischen. Nehmen Sie zum Beispiel unsere junge Sekretärin – ich sage nicht, daß sie nicht zu arbeiten verstünde – aber auf einmal packt sie die Laune, und sie heiratet und läßt mich hier mit der Arbeit sitzen, gerade jetzt, wo Mr. Urquhart fort ist. Mit einem jungen Mann wäre das anders, den festigt die Ehe und bindet ihn stärker an seinen Beruf, aber bei den jungen Frauen ist es genau umgekehrt. Es ist ja recht, daß sie heiratet, aber es kommt doch sehr ungelegen, und in einem Anwaltsbüro kann man nicht gut Aushilfskräfte beschäftigen. Ein Teil der Arbeit ist eben vertraulich, und in jedem Fall ist eine Atmosphäre der Beständigkeit wünschenswert.«
    Wimsey drückte dem Bürovorsteher geziemendes Mitgefühl für seinen Kummer aus und wünschte ihm freundlich einen guten Morgen. In der Bedford Row befand sich ein Telefonhäuschen, und er huschte hinein und rief sofort Miss Climpson an.
    »Hier Lord Peter Wimsey – ah, Miss Climpson! Wie geht’s, wie steht’s? Alles zum Besten? Gut! -Ja, und nun hören Sie zu. In Mr. Norman Urquharts Anwaltsbüro ist eine Vertrauensstelle für eine Sekretärin frei. Haben Sie jemanden? – Ah, gut! – Ja, schicken Sie sie alle her – gerade da möchte ich jemanden hineinbringen. – O nein! Kein besonderer Auftrag – nur die Ohren spitzen und hören, was so über den Fall Vane geredet wird. O ja, suchen Sie die vertrauenerweckendsten aus. Nicht zuviel Puder im Gesicht, und achten Sie darauf, daß die Röcke die vorgeschriebenen zehn Zentimeter unterhalb des Knies enden – der Bürovorsteher hat das Sagen, und die letzte Sekretärin ist ihm gerade weggeheiratet worden, daher hat er etwas gegen Sex-Appeal. Richtig! Bringen Sie sie da unter, und ich gebe ihr alle notwendigen Instruktionen. Gott mit Ihnen – möge Ihr Schatten nie in die Breite gehen!«

8. Kapitel
    »Bunter!«
    »Mylord?«
    Wimsey trommelte mit den Fingern auf einem Brief herum, den er eben erhalten hatte.
    »Fühlen Sie sich zu großen Taten aufgelegt und unwiderstehlich? Leuchtet eine strahlendere Iris, dem winterlichen Wetter zum Trotz, in Bunters sonnengebräuntem Gesicht? Sind Sie so recht in Erobererstimmung? Spüren Sie sozusagen den Don Juan in sich?«
    Bunter, das Frühstückstablett auf den Fingerspitzen, hüstelte tadelnd.
    »Sie sind eine imposante, aufrechte Erscheinung, wenn ich so sagen darf«, fuhr Wimsey fort. »Sie haben einen kühnen Abenteurerblick – außer Dienst, versteht sich – und eine flinke Zunge, Bunter, und ich habe den starken Eindruck, daß Ihnen auch das gewisse Etwas nicht fehlt. Was könnte eine Köchin oder ein Dienstmädchen sich noch mehr wünschen?«
    »Es macht mich immer glücklich«, erwiderte Bunter, »wenn ich Eurer Lordschaft nach besten Kräften dienen kann.«
    »Das weiß ich wohl«, pflichtete Seine Lordschaft ihm bei.
    »Ich sage mir ja auch wieder und wieder: ›Wimsey, das kann auf die Dauer nicht gutgehen. Eines schönen Tages wirft dieser verdiente Mann das Joch der Knechtschaft ab und macht sich als Gastwirt oder so was in der Art selbständig‹, aber nichts geschieht. Allmorgendlich wird mir der Kaffee gebracht, das Bad bereitet, das Rasierzeug zurechtgelegt, die Krawatte herausgesucht und auf die Socken abgestimmt und ein herrliches Frühstück mit Speck und Ei serviert. Komme, was da will. Diesmal aber bitte ich Sie um einen gefährlicheren Liebesdienst – gefährlich für uns beide, mein lieber Bunter, denn wenn Sie mir weggeschnappt würden, als hilfloser Märtyrer in den Ehestand geschleppt, wer soll mir dann den Kaffee bringen, das Bad bereiten, das Rasierzeug zurechtlegen und alle die andern Opferriten vollziehen? Dennoch –«
    »Wer ist die Dame, Mylord?«
    »Es sind gleich zwei, Bunter. Zwei Damen wohnten in der Laube, Binnorie, o Binnorie! Das Dienstmädchen haben Sie schon gesehen. Hannah Westlock heißt sie. Eine Frau in den Dreißigern, schätze ich, und nicht übel anzusehen. Die andere, die Köchin – ich kann Ihnen leider die zarten Silben ihres Namens nicht säuseln, weil ich ihn nicht kenne, aber bestimmt heißt sie Gertrude, Cecily, Magdalen, Margaret, Rosalys oder sonst etwas, das süß und symphonisch klingt – eine stattliche Frau, Bunter, vielleicht etwas reif, aber deswegen nicht schlechter.«
    »Gewiß nicht, Mylord. Wenn ich so sagen darf, die Frau von reifen Jahren und

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