Stars & Stripes und Streifenhörnchen
kein Telefon, kein Lauschangriff in dieser Gegend.
So viel zu den Vor- und Nachteilen des hiesigen Wetters.
Eine Woche nach dem Sturm kam ein Gärtner und zersägte meinen Freund, den Baum. Er brachte zwei seiner Angestellten mit und brauchte vier Stunden. Fünf Tage nach dem Sturm hatten unsere Freunde wieder Strom, und es wurde gespenstisch ruhig in unserem Haus. Die Con-Edison-Leute waren auch verschwunden und schliefen dem nächsten Sturm entgegen. Nur die Regierungsagenten mussten wieder ran und lauschen und lauschen und lauschen. Es hätte ja sein können, dass so ein Terrorist wieder Pizza bestellt, und in diesem Fall wollte der Präsident schon im Namen der nationalen Sicherheit wissen: »Margherita« oder »Calzone«.
Kreuzigung zweimal täglich
Weihrauch, Saurier und Gott
Wir sind keine besonders religiöse Familie und insofern verhaltensauffällig in Amerika. Die Frau ist offiziell Katholikin, kommt aber schon bei der Liturgie ins Straucheln und leidet unglücklicherweise an einer Weihrauchallergie, was den Genuss katholischer Messen erheblich reduziert. Erinnerungen an frühkindliche Kirchenbesuche sind geprägt von leichten Übelkeitsgefühlen qua Weihrauch, nicht eben schön. Insgesamt aber schätzt sie das Prozedere eines katholischen Gottesdienstes mehr als das in der evangelischen Kirche. Schon deshalb, weil Katholiken unentwegt aufstehen müssen und knien und wieder aufstehen und der sportliche Charakter einer katholischen Messe beträchtlich über dem vergleichbarer Veranstaltungen anderer Konfessionen liegt.
Der Mann ist von Haus aus Protestant, längst eher passiver Protestant. Als Jugendlicher ging ich freiwillig und einigermaßen verlässlich in die Kirche, weil unser Pfarrer stets aktuelle Geschehnisse in der Fußball-Bundesliga und speziell seinen Lieblingsverein 1. FC Köln in die Predigten einbaute. Mir ist bis heute schleierhaft, wie er das Woche für Woche schaffte, ausgerechnet 1. FC Köln. Borussia Dortmund, klar! Aber Köln? Vermutlich gelang ihm das mit himmlischer Unterstützung. Es machte die Predigten auf jeden Fall sehr unterhaltsam, und manchmal wetteten wir schon vor dem Kirchgang, wie er das samstägliche 0:4 gegen Mönchengladbach mit christlichem Anstand würde verarbeiten können. Er konnte.
Überhaupt war unser Pfarrer ein hervorragender Fußballspieler. Montagabends pflegten wir hinter dem Gemeindehaus auf einem Rasenplatz zu bolzen, und der Pastor schoss immer die meisten Tore und benötigte dafür nicht ein einziges Mal die Hand Gottes. Respekt.
Im Laufe der Jahre und nach vielen Umzügen quer durchs Land schwand das Interesse an der Kirche. Die Töchter kamen auf die Welt, die ältere wurde sogar noch ordnungsgemäß getauft, was wir bei der jüngeren versäumten und vor uns her schoben, »das holen wir irgendwann nach«. Wir stiegen schließlich ab in die Sparte der Einjährigen. Jener in Europa verbreiteten Gattung Kirchensteuerzahler, die sich einmal pro Jahr ins Gotteshaus bewegt, vornehmlich zu Weihnachten und schon aus Gewissensgründen. Die Kinder fanden die jährlichen Besuche in der Kirche erst aufregend, dann zunehmend langweilig. Wir stellten auch unsere jährlichen Besuche ein, als sich die ältere Tochter, sie war da vier, während »Oh, du fröhliche« von der Hand des Mannes riss, Richtung Altar rauschte und zur großen Erheiterung aller anderen Einjährigen in der Kirche mit den Krippenfiguren Cowboy und Indianer spielte.
Im Sommer darauf besichtigten wir eine 1200 Jahre alte Kirche auf der Fraueninsel im Chiemsee. Es war kühl in der Kirche, kalter, vermutlich 1200 Jahre alter Weihrauch hing in der Luft, und eine flüchtige Übelkeit beschlich die Frau. In den Bänken saßen betende Nonnen, die die ältere Tochter, immer noch vier, als solche aber nicht erkannte und ein »süüüß!, Pinguine!« durchs welke Gemäuer schickte. Die Pinguine lächelten milde, »Herr vergib ihr, denn sie wusste nicht, was sie rief«. Wir verließen die Klosterkirche fluchtartig.
Kirchenbesuche, sagen wir so, zählen nicht unbedingt zu den Stärken unserer Familie.
In Amerika nun kommt man an Gott nicht vorbei. Nicht mal der Schalker Dribbelkönig Stan Libuda wäre hier an Gott vorbeigekommen. Gott ist überall, die Kirchen sind voll, und es werden hier ständig neue gebaut, weil die Nachfrage das Angebot regelt. Und die Nachfrage ist groß. Man stellt das Radio an oder den Fernseher, und sie predigen rund um die Uhr aus Kirchen groß wie Sporthallen.
Die
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