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Stars & Stripes und Streifenhörnchen

Titel: Stars & Stripes und Streifenhörnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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Abtreibung und Homosexualität als Sünde sieht, Stammzellenforschung ablehnt und ans nahende Weltenende glaubt. Die meisten Republikaner sind tauglich.
    Es gehört aber zu den großen Rätseln, warum ausgerechnet und immer wieder republikanische Kongressmänner und Senatoren dabei ertappt werden, wie sie jungen, männlichen Praktikanten nachsteigen oder auf Flughafen-Toiletten mit dem Nachbarn füßeln, der aber bedauerlicherweise kein Schwuler ist, sondern Zivilbeamter der Polizei. Das passiert in schöner Regelmäßigkeit, und es passiert immer, immer, immer Republikanern, aber so was wird auf dem Wertegipfel in Washington nie diskutiert.
    Schließlich, auch der Präsident war von Lastern nicht frei und ließ den lieben Gott lange einen guten Mann sein. Seine Suche nach dem Sinn des Lebens dauerte auf den Tag genau 40 Jahre. Bush, kein Vorwurf, war Spirituosen mehr zugewandt als Spiritualität, aber am Morgen seines 40. Geburtstages nach durchzechter Nacht, so ist es überliefert, entsagte der künftige Präsident dem Alkohol, »Goodbye Jack Daniels, Hello Jesus«.
    Und dann rief ihn der gute Mann. Gott.
    Das war 1998, und George W. Bush saß eines Sonntags mit seiner Mama Barbara in der »Highland Park Methodist Church« von Dallas. Der Pfarrer redete über Moses und den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten . »… das Volk verlangte nach Führerschaft, es hungerte nach Führern mit ethischer und moralischer Courage …« . In diesem Moment, sagte Bush rückblickend, »habe ich den Ruf gehört. Ich glaube, Gott will, dass ich Präsident werde«. Es kann aber auch sein, dass Bush junior lediglich seine Mama hörte. Auch Barbara lauschte den Worten des Pastors, drehte sich um zum Spross und flüsterte: »Hörst du, Er spricht zu dir.« Mit »Er« meinte sie den Pfarrer, nicht Gott.
    Der Rest ist bekannt.
    Solche Geschichten erzählten wir den Töchtern auf unseren Fahrten durchs Land zur christlichen Untermauerung. Wir hörten im Radio Radikalprediger, die gegen Schwule geiferten und gegen Sex vor der Ehe schäumten, und die ältere Tochter fragte: »Ist Sex jetzt auch schon Sünde?« Wir sprachen über Gott und die Welt auf dieser Fahrt, und schließlich erzählte ich den Kindern, wie ich einmal auf der Suche nach den theologischen Wurzeln dieses Landes Jesus traf. »In echt?«, fragte die Jüngere, und ich sagte: »Nun ja …«
    Mein Treffen mit Jesus ereignete sich im biblischen Themenpark »Holy Land Experience«, einer Art biblischem Disneyland in Orlando, Florida, mit nachgebautem Tempel und Markt, Via Dolorosa und Giftshops, Golgatha und Fressbuden. Jesus saß an einem Brunnen in der Altstadt von Jerusalem, und Kinder um ihn herum fragten: »Hey, bist du Jesus?« Er trug ein langes, graues Baumwollgewand, die braunen Locken fielen ihm auf die Schulter. Er aß einen Hamburger mit Pommes und schaute aus klaren, blauen Augen und tätschelte Kinderköpfe.
    Jesus hieß im richtigen Leben Les Cheveldayoff und war zuvor Pilot von Frachtflugzeugen. Aber weil es – wie Adorno korrekt feststellte – kein richtiges Leben im falschen gibt, erhörte er den Ruf Gottes, kündigte seine Pilotenstellung und spielt seitdem den Gottessohn im »Holy Land Experience«.
    Es war ein brüllend heißer Samstag, und Samstage waren für Les/Jesus besonders anstrengend, weil er gleich zweimal gekreuzigt werden musste im Passionsspiel. Mittags um 12 und nachmittags um kurz nach 3 für jeweils zwanzig Minuten. Was bei aller Routine doch stets eine gewisse Vorbereitung erforderte, mental und körperlich. Er ließ sich von einer Assistentin blutrote Peitschenstriemen auf den Astralkörper malen, warf noch ein wenig Staub über Brust, Rücken und Beine, schulterte einen massiven Holzbalken und machte sich auf den Leidensweg: am Brunnen rechts, die Via Dolorosa runter, vorbei an Simeons Eiscremestand und geradewegs nach Golgatha. Tausend Besucher erwarteten eine ordentliche »crucifiction« und »resurrection«, Kreuzigung und Auferstehung für ihre 29,99 Dollar Eintritt, Kinder ermäßigt. Jesus gab sein Bestes. Er wurde ans Kreuz gebunden, starb Punkt 15.40 und stand um 15.45 Uhr wieder auf. Begeisterung im Publikum. So gehet hin in Frieden, eine Stunde später war Feierabend im Heiligen Land.
    Ich erzählte den Kindern auch, wie ich auf eben jenem Trip einer Gruppe von Muskelprotzen begegnete, dem Power-Team, die im Namen Gottes durchs Land tingelten, Kirchen und Gemeindesäle füllten und darin Ziegelsteine mit der Handkante

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