Stars & Stripes und Streifenhörnchen
»Bar Car, richtig?«. Ich habe im »Bar Car« viele Freundschaften geschlossen in den theoretisch 35 Minuten von Grand Central in unsere kleine Stadt. Ich hätte sogar die Petition mit unterschrieben, war aber auf Dienstreise und steckte vermutlich im Flugzeug fest.
Bahnfahrten haben im Vergleich zu Flügen nur einen winzigen Nachteil. Im Flugzeug wird man selbst von den Delta-Saftschubsen am Zielort geweckt. Im Zug ist das nicht im Preis inbegriffen, und wenn ich Pech habe, wache ich zuweilen in Stamford, Connecticut auf. Das ist kein guter Ort, um aufzuwachen morgens um zwei. In solchen Fällen muss ich notgedrungen ins Taxi steigen. Wenn ich noch mehr Pech habe, ist die Frau des Hauses noch wach, deren Nase nie trügt. Auch in Zügen muss ein Fluch auf mir liegen. Ich habe oft Pech.
Officers und Gentlemen
Autos, Polizei und Führerschein
Unser Autoverkäufer sah so aus wie deutsche Immobilienmakler oder Springer-Chefredakteure. Peter M. Miceli trug einen dunkelblauen Anzug und Gel im zurückgekämmten Schwarzhaar. Seine Visitenkarte wies ihn aus als eine Art König der Autoverkäufer, auf ihr stand »Legend Leaders«, darunter war ein goldfarbener Diamant gedruckt und die Ziffern 300 und 500. Wir vermuteten, dass Peter irgendwas zwischen 300 und 500 Autos verkauft hatte und dafür mit goldenen Diamanten bezahlt wurde.
Der liebe Nachbar David hatte geraten: »Es ist völlig egal, was für ein Auto ihr kauft, achtet nur darauf, dass es Vierradantrieb hat wegen der Winter hier.« Nun sind und waren weder Mann noch Frau besonders automobilaffin. In Deutschland fuhren wir einen uralten, weinroten Mercedes, der mehr Öl als Sprit verbrauchte und der eine beachtliche farbliche Wandlung durchlief. Das Weinrot verblasste zusehends, und ein grünlicher, patina-ähnlicher Belag überzog langsam die Karosse, die eines Tages auch nicht mehr fuhr. Ein zartes Pflänzchen wuchs aus dem Moos auf dem Dach, und kurz vor unserem Umzug erbarmte sich ein freundlicher türkischer Mitbürger und kaufte uns das fahruntüchtige Kraftfahrzeug für 200 Mark ab.
Wir versicherten uns gegenseitig, ein neues Auto pfleglicher zu behandeln in Amerika, und endeten bei Diamanten-Peter von der Firma Subaru. Das Verhandeln übernahm die Frau, während ich mich um die gelangweilten Töchter kümmerte und Eis kaufen ging. Wir fuhren danach einige Modelle Probe, und ich konnte beim besten Willen keinen Unterschied zwischen den Autos feststellen, bis auf die Farbe. Letzten Endes entschieden wir uns für einen Kombi mit Vierradantrieb wegen der harten Winter. Peter nannte unsere Entscheidung »a very, very good choice«. Das war beruhigend, weil er ja Fachkraft war. Andererseits musste er wohl jedes verkaufte Auto, selbst die übelsten Möhren, »a good choice« nennen, schon wegen des Diamanten auf seiner Karte. Wir bekamen sogar noch einen kleinen Rabatt, weil die Frau Diamanten-Peter davon überzeugte, dass die hellgrüne Farbe des Gefährts nun gar nicht nach ihrem Geschmack sei. Aber Kombis anderer Couleur waren nicht verfügbar, also bekamen wir den Wagen einen Hauch günstiger.
Ich war verblüfft über ihre mir bis dahin verborgene Hellgrün-Blindheit, aber sie sagte: »Die Farbe war mir völlig egal. Ich wollte nur feilschen, denn das macht man hier so.« Ich entdeckte ganz neue Seiten an der Frau.
Wir beschlossen nach dem geglückten Autokauf, alsbald den Führerschein zu machen, vor allem aus versicherungstechnischen, ergo finanziellen Gründen, aber vier Tage später fielen die Türme in Downtown Manhattan, und Frau und Mann vergaßen die Fahrerlaubnis. Wir vergaßen sie ein Jahr, wir vergaßen sie zwei Jahre. Nach zweieinhalb Jahren stoppte mich die Polizei in unserer kleinen Stadt, weil ich bei Rot über die Ampel gefahren war, wie der Officer sagte, obschon ich hätte schwören können, dass es so gerade eben noch Gelb war mit minimaler Tendenz zu Rot. Der Polizeibeamte verlangte die Papiere und sagte: »Oh, Deutscher.« Er stellte wahrheitsgemäß fest, dass ich seit zwei Jahren illegal den hellgrünen Kombi bewegte, und ich machte ein ahnungsloses Gesicht mit minimaler Tendenz zu dummem Gesicht. Dumm gucken kann ich blendend. Ich muss mich dafür kaum verstellen. Der Beamte war sehr freundlich. Unversehens tratschten wir über Deutschland und Amerika, und er kannte Deutschland und liebte die Autobahn und die Berge und das Bier. Er ließ mich fahren, ohne Bußgeld, nur mit der höflichen Warnung, dass es Zeit sei für den
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