Stars & Stripes und Streifenhörnchen
ihn in New York in einem Appartement. Er wurde 46 Jahre alt.
»Folks, we have a problem«
Flüche, Flüge und alte Züge
In Amerika ist alles größer, was schon mit der Größe des Landes beginnt. Das hat Vor- und Nachteile. Vorteilhaft ist, dass man durch den sträflich vernachlässigten Bundesstaat Nebraska fahren kann und dort nur alle 20 Minuten einen anderen Wagen sieht, der durch Nebraska rollt. Von Nachteil ist, dass man stets ein Flugzeug besteigen muss, um in sträflich vernachlässigte Bundesstaaten wie Nebraska zu gelangen, die paradoxerweise im US-Jargon »Fly-over-states« heißen, weil dort eigentlich niemand hin will, der nicht muss. Ich musste. Aber Fliegen in Amerika ist von sehr beschränktem Unterhaltungswert. Streng genommen habe ich sogar Angst vorm Fliegen. Das heißt nicht unbedingt Angst vor dem eigentlichen Abheben, in der Luft Schweben, Landen. Es ist vielmehr die Angst VORM Fliegen. Wenn ich fliegen muss, und ich muss oft fliegen, geht ständig etwas schief, ständig, immer. Auf mir liegt ein Flug-Fluch. Mal ist Stromausfall im Terminal, mal ist Schneesturm, mal ist die Menschenschlange am Schalter so lang, dass man den Anfang mit dem bloßen Auge nicht sehen kann. Und wenn man dann endlich im Flugzeug sitzt, bedeutet das noch lange nicht, dass auch endlich geflogen wird. Die Ansage »Folks, wir sind Nummer 18 auf der Startbahn« heißt übersetzt: Abflug frühestens in einer Stunde.
Ich verbrachte schon Stunden auf der Piste des John-F.-Kennedy-Flughafens. Der Kapitän erzählte uns irgendwas vom Nebel, aber draußen war kein Nebel, vermutlich war sein Fenster nur schmutzig. Als sich nach drei Stunden eine Passagierin erhob, weil sie ein dringendes Bedürfnis quälte, strafte er sie via Lautsprecher ab: »Nicht aufstehen, durch Sie haben wir jetzt unseren Slot verloren.« Nach fünf Stunden flogen wir endlich. Passagiere der Gesellschaft Jet Blue saßen sogar neun Stunden auf der Startbahn fest, riefen schließlich die Notfall-Nummer 911, und eine Gestrandete, Kate Hanni, gab ihren Job als Immobilienmaklerin auf und gründete eine Selbsthilfeorganisation für geschundene Passagiere, die »Coalition for Airline Passengers' Bill of Rights«.
Eigentlich kann ich froh sein, überhaupt fliegen zu dürfen, weil das in Amerika keine Selbstverständlichkeit ist, auch ohne Angst vorm Fliegen. Sie haben hier nach dem 11. September eine sogenannte »No Fly List« eingeführt mit zig Tausenden von Menschen drauf, die grundsätzlich verdächtig sind. Darüber hinaus existiert eine »Terrorist Watch List« mit 700000 Einträgen. Amerikaner sind nämlich sehr furchtsam. Viele arabische Namen stehen auf dieser Liste, denn Araber oder solche, die auch entfernt arabisch aussehen oder klingen, sind grundsätzlich verdächtig.
Der Senator Edward Kennedy, Bruder von John F. Kennedy, selig, und einer der bekanntesten Politiker in Amerika, muss wohl auch verdächtig gewesen sein. Fünfmal wollten ihm Sicherheitsbeamte das Boarden verbieten. Selbst dann, wenn er wahrheitsgemäß versicherte, dass der Flughafen, in dem er gerade mit den Sicherheitsleuten stritt, nach seinem Bruder benannt wurde. Auf dieser »No-Fly«-Liste tauchen Kleinkinder auf und Greise und auch die Nonne Virgine Lawinger und der Pfarrer Bill Brennan aus Milwaukee, Friedensaktivisten beide und keine besonders großen Anhänger des amerikanischen Präsidenten, insofern verdächtig.
In Tat und Wahrheit kann ich mich, selbst kein inniger Bewunderer der hiesigen Regierung, glücklich schätzen, dass ich fliegen darf und nicht hops genommen werde wie Senatoren und Pastoren. Aber die Sicherheitsleute an amerikanischen Flughäfen denken sich allerlei goldige Dinge aus, um mich zu necken. Regelmäßig leuchtet beim Einchecken ein rotes Lämpchen auf, und dann schieben mich Uniformierte in eine separate Schlange für die vermutlich nur ein bisschen Verdächtigen, welche dann einer Leibesvisitation unterzogen werden. Sie wühlen in Koffern, expedieren Wasserflaschen oder Shampoo, »das muss hier bleiben«, betatschen den Körper ausgiebig, als hätten sie ein enormes physisches Nachholbedürfnis, und wünschen dann einen guten Flug. Worauf man sich zum Gate begibt, um dort festzustellen, dass der Flug Verspätung hat. Zumindest in New York ist das so. Die drei Flughäfen JFK, La Guardia und Newark führen die Verspätungstabelle landesweit an. Ein Drittel aller Flüge von JFK ist verspätet, was wiederum einen nationalen Domino-Effekt
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