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Startschuss

Startschuss

Titel: Startschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Anzug durfte nicht zu groß und nicht zu klein sein, sich auf gar
     keinen Fall mit Wasser vollsaugen und dadurch schwerer werden. Er musste hauteng anliegen, um dem Wasser möglichst wenig Widerstand
     zu bieten, trotzdem leicht und bequem sitzen, damit man sich frei bewegen konnte. Andererseits hatte sie keine Alternative.
     Wie Linh gesagt hatte: Der Anzug war besser als nichts.
    »Danke!«, sagte sie deshalb nur. »Ich probiere ihn sofort an.« Sie rannte los und bekam Jabalis Ankunft nicht mehr mit.
    Jabali grüßte die anderen nur kurz, leckte an seinem Eis und berichtete, dass er nichts zu berichten hatte.
    »Wieso nicht?«, wollte Michael wissen. »Kann die Alte Fritz die Apfelschorle nicht untersuchen?«
    »Doch.« Jabali nickte. Sein Eis tropfte. Mit einer schnellen Handbewegung fing er den Tropfen auf und schleckte ihn vom Finger.
     »Aber erst in einigen Tagen. Sie hat so viel in der Organisation zu tun, sagt sie. Und so ein Test dauert auch seine Zeit.Zumindest im Schullabor. Sie hat nicht alle Mittel dafür vorrätig.«
    »Schade«, fand Linh.
    »Schade?«, brauste Michael auf. »Das ist totaler Obermist. Jetzt können wir den Gaunern nicht das Handwerk legen!«
    »Jetzt feuern wir erst mal Ilka an«, schlug Linh vor.
    Dagegen wagte natürlich niemand einen Widerspruch. Und so schauten sie gebannt hinunter zum Becken, bis Ilka aus den Duschräumen
     herauskam und sich an den Beckenrand stellte.
    »Der Turnanzug steht ihr doch gut!«, fand Michael.
    Ilka hingegen machte nicht ganz so einen glücklichen Eindruck. Sie sah prüfend an dem Anzug hinunter, zupfte hier und da ein
     wenig, schaute dann hinauf zu ihren Freunden auf der Sitzbank und reckte ihnen den erhobenen Daumen entgegen.
    »Es klappt!«, freute sich Lennart.
    »Was?«, wunderte sich Jabali, der das Drama um den Badeanzug nicht mitbekommen hatte. »Dass Ilka geduscht hat? Ich wusste
     gar nicht, dass sie damit Schwierigkeiten hat!«
    Michael, Lennart und Linh lachten.
    »Klar!«, juchzte Lennart. »10 0-Meter -Freistil-Duschen. Die neue olympische Disziplin. Kanntest du die noch nicht?«
    Und Linh piepste: »Achtung. Es geht los!«
    Ilka stand schon auf dem Startblock und spürte die Blicke ihrer Konkurrentinnen, die – im Gegensatz zu Jabali – natürlich
     sofort erkannt hatten, dass Ilka einen Turnanzug trug. Einige kicherten. Andere schauten schnell wieder weg, um sich auf ihren
     Start zu konzentrieren. Ilka versuchte, die Blicke zu ignorieren. Noch einmal atmete sie tief durch, verschränkte dabei ihre
     Hände hinter dem Kopf und streckte den Rücken durch. Dann ging sie in Startposition. Der Turnanzug zwickte etwas am Po.
    Mist, dachte Ilka, doch eine Nummer zu klein. Es war ohnehin schon ein Wunder gewesen, dass ihr der Anzug der zierlichen Linh
     gepasst hatte. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Der Start musste ihr gelingen. Es kostete zu viel Kraft, im Wasser einen
     vermasselten Start wiedergutzumachen. Kraft, die einem auf den letzten 20   Metern fehlte. Ilka versuchte, alles um sich herum auszublenden. Es gab nichts mehr außer ihr und dem Startschuss, der jeden
     Moment ertönen musste.
    Der Starter gab das Kommando.
    Ilka beugte sich so weit vornüber, wie es nur ging, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, die Hände neben die Füße an den Startblock
     gelegt.
    Startschuss.
    Ilka sprang ab. Sie spürte, sie hatte einen guten Start erwischt, landete als eine der Ersten und mit am weitesten im Becken.
     Doch als sie flach ins Wasser eintauchte, wie sie es Hunderte Male trainiert hatte, und sich die ersten paar Meter mit vorgestreckten
     Armen gleiten ließ, merkte sie, wie ihr Turnanzug verrutschte und den Wasserstrom bremste. Früher, als sie wollte, musste
     sie mit den Schwimmzügen beginnen. Der linke Träger war ihr halb über die Schulter gerutscht, was die Bewegung ihres Arms
     enorm beeinträchtigte. Keine Zeit, den Anzug zu richten.
    Schwimmen!, dachte Ilka nur. Schwimmen. Schwimmen. An nichts anderes denken.
    Aber sie fand ihren Rhythmus nicht. Auf einen Armzug drei Schläge mit den Füßen, bei jedem zweiten Zug mit dem linken Arm
     Luft holen. Blieben drei Armzüge, um die Luft unter Wasser wieder auszuatmen.
    Luft holen links.
    Ausatmen bei rechts – links – rechts.
    Luft holen links.
    Ausatmen bei rechts – links – rechts.
    Das war ihr Rhythmus.
    Doch der verrutschte Träger des zu kleinen Anzugs zog an ihrem Arm, die Bewegung wurde eierig, statt geschmeidig mit dem rechten
     Arm zu korrespondieren.

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