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StasiPolka (German Edition)

StasiPolka (German Edition)

Titel: StasiPolka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Pesch
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man so als Vater, wenn man fast schon mit dem Leben abgeschlossen hatte? „Hall o Rea. Ich hatte gar nicht mit Dir gerechnet.“ Au weia. Zum Glück ging sie nicht darauf ein.
    „Geht es Dir gut?“
    „Könnte nicht besser sein.“ Zum Teufel mit seinen antrainierten Reflexen. Er drückte sie fest an sich und rieb sein Gesicht in ihrem Haar.
    „Wir haben uns nämlich Sorgen gemacht.“ Sie ließ ihn los, trat zurück, ihr L ächeln verschwand. „Wie siehst Du denn aus?“
    „Ich war unachtsam.“ Sein Ohr war zwar abgeschwollen, dafür hatte es jetzt die Farbe von angefaulter Mortadella. Vincent gab dem Mann hinter dem Schalter das Fo rmular zurück und legte zehn Dollar dazu. „Tut mir leid, ich werde abgeholt. Vielleicht ein andermal.“
    Dem Kerl war es ziemlich egal, er starrte Rea an, die gesund aussah, gebräunt, gut in Form. Ihr Haar schien heller zu sein als beim letzten Mal. Sie trug ein kurzes Kleid aus geblümtem Stoff, spitzer Ausschnitt, vorn durchgeknöpft, dazu flache Sandalen. Sommer am Meer. Vincent griff nach seiner Tasche. Draußen wartete ein schwarzer Cherokee. Spiegelbrille setzte sich nach vorn zum Fahrer, Vincent machte es sich mit Rea auf den Rücksitzen bequem.
    „Jelena ist nicht mit gekommen“, sagte Rea, „sie bereitet für Dich ein Abende ssen vor.“
    „Wie läuft es mit ihr?“, fragte Vincent.
    „Sie ist cool.“
    „Und was habt Ihr letzte Woche so getrieben?“ Mann, wieder so eine Seniorenfrage. Die ungewohnte Vaterrolle. Rea machte das offenbar nichts aus.
    „Eigentlich gar nichts. Gefaulenzt, gebadet, gegessen. Über Touristen gelästert. Du glaubst nicht, was unten am Meer los ist. Jelena hat mir gezeigt, wie man mit einer Harpune umgeht; wir sind ab und zu mit dem Schlauchboot in eine ruhige Bucht gefa hren und haben dort gejagt.“ Sie lachte. „Das heißt, Jelena hat gejagt, und ich habe Löcher ins Wasser geschossen. Keine Gefahr für die Fische. Jelenas Haus liegt übrigens am Rande eines Dorfs, das vor vierzig Jahren von einem Erdbeben zerstört wurde. Heute wuchert dort das Grün, aber zwischen den Feigen und Oliven stößt Du plötzlich auf Ruinen alter Steinhäuser. Steine, wohin Du schaust. Oben im Kiefernwald liegen Felsbrocken, so groß wie ganze Häuser.“
    „Hast Du die Kamera benutzt?“
    „Natürlich. Jede Menge Fotos.“
    „Irgendwas Neues von Baranowski?“
    Ihre Begeisterung kühlte ab. „Nicht wirklich. Jelena hat mal mit ihm telefoniert, soweit ich weiß. Dann kam ein Mann zu Besuch, der wie ein Operationssaal stank. Sah aber nicht aus, wie ein Mediziner. Ziemlich witziger Typ.“
    Sergei mit seiner Vorliebe für Äther. „Was wollte er?“
    Sie zuckte mit den Schultern. „Frag am besten Jelena. Mit mir hat er nur über Mama gesprochen. Sagte, er kennt sie aus der Zeit in Ostberlin, als Du noch mit ihr zusammen warst.“
    „Das ist lange her.“
    Für einen Freitagabend war wenig Betrieb auf der Magistrale . Kein Problem für den Fahrer, ein gleichmäßig flottes Tempo zu halten. Rechts tauchten die fahlen Hochhäuser von Split aus dem abendlichen Dunst. Von hier aus war nichts zu sehen von Kaiser Diokletians Datscha, dem alten Kern der Stadt. Damals ließ der Kaiser dort Weißkohl für seine Soldaten anbauen.
    Rea rückte näher an Vincent heran, hakte sich ein, legte den Kopf auf seine Schulter. Die Strasse führte nun hinunter ans Meer. Alle paar Meter ein Rudel Somme rgäste, mit Badetrödel bepackt, auf dem Weg in die Pensionen, aber unten im Wasser immer noch einige unentwegte Schwimmer. Im Westen stieg die Insel Brac braun und dunkelblau aus dem schwärzer schimmernden Meer. Der Blonde hatte die Spiegelbrille nach oben in die Haare geschoben und murmelte ab und zu Unverständliches in ein Funkgerät. Vincent kam zur Ruhe.
    „Mann, habe ich ein Glück“, sagte Rea und drückte seinen Arm.
    Etwas rätselhaft. Er ließ es dabei.
     
    Einige Meilen hinter Makarska bog der Fahrer links von der Magistrale ab. Eine schmale Strasse, dicht gesäumt von Olivenbäumen, deren Äste die Autotüren streiften. Enge Serpentinen führten steil bergauf, ab und zu sah er weit unten das Meer durch das Graugrün der Blätter. Schließlich eine Mauer aus grauen Steinbrocken, über deren Krone weißer Oleander wucherte, ein grünes Eisentor. Die Flügel schwangen auf, als der Wagen sich näherte. Ein dunkelhaariger Bursche winkte dem Fahrer zu. Rechts und links der Zufahrt knorrige Weinstöcke auf winzigen Terrassen, umfriedet von weiß gebleichtem

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