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StasiPolka (German Edition)

StasiPolka (German Edition)

Titel: StasiPolka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Pesch
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schlief bereits.
    Prado war ein viel zu sanfter Name für einen so kalten Hund, wie Vincent. Er konnte als Latino durchgehen, klar doch, bei dem Vater. Aber Prado? Nero hätte besser gepasst. Sergei starrte auf die Strasse, fuhr vorsichtig, kramte in Erinnerungen.
    Nero wäre auch übertr ieben, Vincent war kein Blutsäufer: Für nasse Jobs  gab es ja Spezialisten. Auf jeden Fall wäre ich lieber auf Vincents Seite, wenn es mal hart auf hart ginge. Wer ihm in die Quere kam, musste aufpassen. Aber sie hatten auch viel Spaß gehabt, früher in Berlin, als er in Karlshorst ausgebildet wurde, und Vincent noch das Hätschelkind der ostdeutschen Auslandsaufklärung war.
    Sergei steckte sich eine neue Zigarette an, der Wagen rumpelte weiter durch die Nacht. Nach einer Weile streckte Vincent sich, griff nach der Wasserflasche und trank. 
    „Gut geträumt?“, fragte Sergei.
    „Ich träume selten.“
    „Ich Tag und Nacht.“
    Das kannte Vincent. Ab und zu hatte Sergei Anfälle von Melancholie, wenn er alte Freunde traf. Wahrscheinlich lag es diesmal an der Warterei. Wenn er sich nicht gerade auf dem Balkan herum trieb, arbeitete der Russe für den Baranowski Klan. Nummer vier oder fünf, unter den rund zweihundert Klans in der alten Sowjetunion.
    „Was macht ihr Mann?“, Sergei deutete auf die Ladefl äche.
    „Keine Ahnung. Öl, Zigaretten, Computer, irgend so was. Die Frau  r edet nicht mit mir. Sie haben in Sarajewo gelebt.“
    Tatsächlich war der Ehemann Rüstungschemiker und hatte für obskure Auftra ggeber aus dem nahen Osten gearbeitet. Mit Wissen der Agency. Sergei musste nicht jedes Detail kennen. Vincent wechselte das Thema.
    „Wie kommen wir nach Rijeka?“
    „Alles in russischer Hand. Zunächst fahren wir nach Südwesten. An der kroatischen Grenze warten dann Landsleute, die zurzeit hier als Söldner kämpfen. Für die serbische Seite arbeiten auch ein paar Bekannte. Ich habe Kontakte bei jeder Kriegspartei. Die Marktwirtschaft besiegt den Sozialismus.“ Sergei lachte.
    Es war immer das Gleiche mit diesen regionalen Kriegen. Das Personal wechse lte nie. Ausgemusterte Ostblocksoldaten, durch geknallte Amateure aus dem Westen und Kriegshandwerker, die nichts anderes gelernt hatten. Sie kämpften für jeden, der bezahlte. Früher Afrika, dann Mittelamerika, heute der Balkan.
    Der Wagen rumpelte weiter, durch dunkle Dörfer, an Fabrikruinen und verlass enen Höfen vorbei. Später standen drei schweigsame Männer am Straßenrand. Einer führte sie etwa einen Kilometer durch Buschwerk und Unterholz, dann stiegen sie in einen alten Lieferwagen um.
    „Kroatien.“ Sergei deutete in die Nacht. Wieder Dunkelheit, Gerippe von Hä usern, tote Tankstellen und eine endlose Folge von Schlaglöchern. Die Frau lehnte in einer Ecke der Rückbank, die Kinder lagen zusammengekuschelt neben ihr und schliefen. Der Himmel wurde grau. Zwei müde Wachen an einer Straßensperre winkten den Wagen durch.
    „Warum fliegt ihr nicht von Zagreb aus?“ fragte Sergei.
    „Mit ihren Papieren? Wer weiß, was ihr Mann angestellt hat.“ Bei diesem Krieg konnte man nie genau wissen, wer gerade Anspruch auf Haus, Eigentum oder Leben eines Anderen erhob. In einem Land, wo hinter jedem Hügel eine neue Volksgruppe siedelt, durfte man seine Schutzbefohlenen keinen unnötigen Kontrollen aussetzen.
     
    Vincent lieferte die drei in Triest ab, wo sie Männer der Grell Truppe übernahmen. Die Kinder umklammerten ihn beim Abschied und wollten nicht mehr los lassen. Die Frau sprach kein Wort.
    Danach erledigte Vincent über sieben Jahre hinweg Aufträge für OVID, ein paar einfache, jede Menge komplizierte und zwei oder drei haarige, fast alle im Ostblock oder auf dem Balkan. Für Patricia Grell hatte er den passenden Stallgeruch. Aber sie hielt Wort, was die Behörden anging, zahlte hervorragend und ließ ihm freie Hand.
    Hie und da traf er Sergei wieder. Er blieb ein verlässlicher Kumpel, obwohl er begonnen hatte, Äther zu schnü ffeln.
    Das Beste an der Arbeit war, dass keiner der Jobs es erforderte, nochmals den selbst g ebackenen Kuchen einer allein lebenden Ministerialsekretärin zu essen. Vor kurzem ertappte sich Vincent dabei, wie er zum ersten Mal seit seinen Jahren in Bonn wieder eine Katze streichelte.

5
     
    „Die Lage ist ideal, wenn man einem Kunden was bieten will“, hatte der Makler erklärt, als er Vincent die Räume in der Rue Assaut zeigte. „Grand Place um die Ecke, und im Umkreis von dreihundert Metern gibt es

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