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StasiPolka (German Edition)

StasiPolka (German Edition)

Titel: StasiPolka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Pesch
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Nacken gerichtet.
    „Er hat echt Schlag bei Frauen“, sagte Vincent.
    „Die treibt es doch mit jedem, was ziert sie sich.“
    „Und sterben muss sie sowieso.“
    „Früher oder später sterben alle.“
    „Wie zum Beispiel Gisela“, sagte Vincent, „für mein Gefühl ist sie zu früh gestorben.“
    Das schlug bei ihm ein. „Wovon reden Sie?“
    „Von der Kleinen, die Sie damals in Makarska dabei hatten. Gisela. Dunkle Haare, dunkle Augen, hübsch. Laut Polizei brach sie in mein Segelboot ein, hantierte ungeschickt am Gasherd, Explosion. Sie ist tot, das Boot ein Wrack. Ein Unfall.“
    „Wann war das?“ Er sprach leise, flüsterte fast.
    „Gestern Abend.“
    Er sagte nichts mehr. Von oben drängten Geräusche in die Stille. Günter wollte, dass sie unten was mitbekamen. Er stöhnte, feuerte sie an, von Anna hörte man keinen Laut. Wolf saß brütend in seinem Sessel, kaute an den Neuigkeiten. In sein Schweigen hinein dröhnte der Krach des ersten Schusses, laut, wie die Detonation eines Silvesterböllers. Der Knall des zweiten vermischte sich bereits mit Günters gellendem Schrei. Gleich darauf schlug oben eine Tür zu, die Schmerzensschreie wurden leiser.
    Wolf sprang auf und rannte mit der Waffe in der Hand ins Treppenhaus. Vincent hörte, wie er hinauf in das Zimmer stürmte, wartete auf Schüsse. Nichts, nur das Schre ien des Verletzten. Oben wurden Zimmertüren aufgerissen, zugeschlagen, dann polterten Schritte die Treppe hinunter. Wolf stürzte ins Zimmer, ließ die Waffe sinken, als er Vincent noch an seinem Platz sah. Er war blass.
    „Die Alte hat ihm in die Eier geschossen und sich dann irgendwo da oben ve rsteckt. Dem ist nicht mehr zu helfen, der verblutet.“ Wolf ging von Fenster zu Fenster und zog die Vorhänge zu, die Terrassentür ließ er angelehnt. Günters Schreien wurde schwächer.
    „Verdammt, wo bleiben die beiden?“ Wolf war kurz davor, auszurasten. Er ve rriegelte die Zimmertüren und bezog mit seiner Waffe Position. Wenn jemand in diesen Raum wollte, musste er über die Terrasse. Sie warteten, Günter war verstummt.
    „Verdammt, schießt ihm die Alte den Schwanz weg.“ Wolf schüttelte den Kopf. Vincent sagte lieber nichts. Anna saß jetzt vermutlich oben unterm Dach und kämpfte gegen ihre Panik an. Je mehr der Alkoholnebel sich lichtete, umso stärker würde die Angst sie packen. Hoffentlich verkroch sie sich einfach und hielt still.
    „Gisela kam nach der Wende aus Köln nach Ostberlin“, sagte Wolf, „sie war z utiefst links, linientreuer, als wir alle. Die kubanische Revolution soll leben und so. Frau und prima Kumpel gleichzeitig. Es ist ein Jammer.“
    „Ich dachte, Giselas Unfall wurde von Ihnen gefingert. Sämtliche Zeugen bese itigen, so was in der Art. Wie die beiden Seeleute von der Ivona .“
    Er sah Vincent an, antwortete nicht. Die Zeit verging. Vincent musterte die K äseplatte auf dem Tisch. Nichts, worauf er Appetit hätte. Langsam ein Stück Roquefort zusammen mit einem Schluck Portwein im Mund zerkauen, das wär´s. Dänisches Roggenbrot, Gänseschmalz und Harzer, auch nicht schlecht.
    Wolf saß da, hatte den linken Arm aus der Schlinge befreit und hielt die Waffe mit beiden Händen, den Blick auf die Terrassentür gerichtet. Der Mann konnte lange auf seine Schl äger warten. Wahrscheinlich lagen sie längst sauber verschnürt auf der Pritsche eines Lastwagens.
    Es war ein Witz. Die letzten zehn Jahre hatte Vincent mit Russen allenfalls ind irekt zu tun gehabt, von den senilen Betonköpfen im Osten Berlins ganz zu schweigen. Und jetzt trank er mit Baranowski Brüderschaft und ließ ihn die Drecksarbeit für sich machen. Patricia Grell wäre amüsiert. Lieber Vincent, so laufen die Dinge manchmal, wenn man unversehens Familienvater wird.
    Schnelle Schritte auf dem Kies, Wolf hob den Kopf. Sergei schob sich zur Tür hinein. Na also. Er blickte Wolf an, sah dann zu Vincent hinüber. „Dir geht es gut, wie ich sehe. Ich h abe mir schon Sorgen gemacht.“
    „Du kommst gerade zur rechten Zeit“, sagte Vincent.
    Sergei zog den schweren Tisch von Vincent weg und zerschnitt seine Fesseln. Er half ihm hoch, Vincent bewegte seine Beine und streckte sich.
    „He, was soll das?“ Wolf hatte sich aus seinem Sessel gewunden. Für ihn ging alles viel zu schnell.
    Sergei sah Vincent an. „Sind noch Leute im Haus?“
    „Sie waren zu viert; zwei sind mit meinem Auto unterwegs, einer krepiert oben im Schlafzimmer“, Vincent nickte zu Wolf hinüber, „und da drüben

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