Staub Im Paradies
an Schelte von seiner Liebsten eintrug.
Neben der eher frostigen Stimmung innerhalb meiner Familie zermürbten mich aber auch die sich im Laufe der vergangenen zwei Tage immer klarer abzeichnenden Zerwürfnisse innerhalb der Forschertruppe. In Anwesenheit der Militärs noch als homogene Einheit erscheinend, eröffneten sich bereits kurz nach deren Abzug überraschend tief klaffende Risse innerhalb des Teams.
Wenn ich es richtig mitbekommen habe, existieren unter den Schweizer Wissenschaftlern und ihrer einheimischen Entourage drei Fraktionen. Alle kämpfen um dieselben Gelder des Schweizer Nationalfonds, der verschiedenen Universitäten und Technischen Hochschulen des Landes, des srilankischen Gesundheitsministeriums sowie des im Jahre 2000 im nigerianischen Abuja beschlossenen Programms Roll back Malaria von UNICEF, UNDP, WHO und der Weltbank.
Die Mehrheit der Wissenschaftler in Hamawella, zu der auch meine Tochter Anna, ihr Tschaggat als Leiter, der ermordete Rainer Schütz und der immer noch im Spital rekonvaleszente Jürg Deiss gehören, sieht die Chance für eine effektive Malariabekämpfung in einem neuerlichen, kontrollierten Einsatz von DDT.
Dass das 1939 von dem Schweizer Chemiker Paul Müller entdeckte Dichlordiphenyltrichlorethan ein überaus effektives, auf das Nervensystem von Stechmücken wirkendes Gift ist, bestreitet eigentlich niemand. In vielen Ländern der Welt konnte die Malaria durch das Besprühen der Häuser mit DDT faktisch ausgerottet werden, so etwa im Süden der USA und in weiten Teilen Mittelamerikas und Brasiliens, aber auch in europäischen Ländern wie Portugal, Spanien, Bulgarien, Italien und Rumänien. In Sri Lanka sank die Zahl der Malariaerkrankungen in den Sechzigerjahren unter dem Einsatz von DDT von über zwei Millionen auf unter zwanzig. Aber ein Problem von DDT ist, dass es sich in der Nahrungskette anreichert. Nachdem es Mitte der Sechzigerjahre in der menschlichen Muttermilch nachgewiesen werden konnte, wurde es daher in vielen Ländern verboten.
Auch in Sri Lanka wurde der Einsatz von DDT 1968 und 1969 massiv eingeschränkt, worauf eine Epidemie ausbrach, die rund eine halbe Million Menschen erfasste. Neue intensive Sprühbehandlungen konnten die Zahl der Erkrankungen bis 1972 zwar nochmals auf rund 150.000 Fälle senken. Jedoch nur drei Jahre später lag die Marke wieder bei 400.000 Infektionen – trotz massiven DDT-Einsatzes. Einige Untergruppen der Anopheles-Mücke hatten bereits Resistenzen gegen das Gift entwickelt.
Heute gelten gerade noch knapp vier der neun Provinzen des Landes als malariafrei. Aber auch sie werden früher oder später von Neuerkrankungen betroffen sein, wenn weiterhin nichts dagegen unternommen wird.
Niemand liebt das DDT, hat mir Tschaggat versichert. Aber nichts habe mehr Erfolge gebracht. Die Gruppe um den sri-lankischen Tropenmediziner und meine Tochter ist felsenfest davon überzeugt, dass das Nervengift der einzige Weg ist, um auf lange Sicht mit der Seuche fertig zu werden, die weltweit jährlich rund zwei Millionen Todesopfer fordert. Laut Anna ist das auch der weltweite Konsens der großen Mehrheit der Forscher, die sich mit der Malaria beschäftigen.
Aber natürlich gibt es auch andere Ansätze, gerade im Hamawella Malaria Research Center. So schwört eine kleine, aber aggressive Gruppe um den Basler Tropenmediziner Hugentobler Stein und Bein auf gentechnisch veränderte Mücken. Tatsächlich gelang es Wissenschaftlern der John Hopkins University in Baltimore schon vor Jahren, Anopheles-Mücken gentechnisch so zu verändern, dass sie resistent gegen den Malariaerreger Plasmodium wurden. Weitere Versuchsreihen zeigten, dass die genmanipulierten Mücken ihren Erreger tragenden Verwandten überlegen waren, sprich diese nach und nach verdrängten, zumindest unter Laborbedingungen. Im Klartext setzen Hugentobler und seine Glaubensbrüder – darunter verschiedene von der Bill-Gates-Stiftung alimentierte US-Teams – darauf, dass freigesetzte Genmücken die Malariamücken aus der Natur verdrängen könnten, was der Krankheit längerfristig den Garaus machen würde.
Tschaggat bestreitet nicht, dass Genmücken eines Tages eine Option sein könnten, glaubt jedoch, dass das noch Jahre dauern wird. Die Hürden für die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen seien zu Recht enorm hoch. Zudem sei der Vorteil der Genmücken gegenüber ihren frei lebenden Artgenossen bei Weitem noch nicht groß genug. Dennoch hielte die
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