Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Staub Im Paradies

Titel: Staub Im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Solèr
Vom Netzwerk:
zielte auf die Beine des türmenden Tamilen, der in Richtung Parkplatz rannte.
    »Polizei! Stehen bleiben oder ich schieße!«, rief er ihm nach.
    »Nein!«, packte ihn Gret an der Schulter. »Hinterher! Den kriegen wir auch so.«
    Mario hatte seine Zweifel, denn der Mann hatte inzwischen mindestens dreißig Meter Vorsprung. Immerhin, Gret war gut in Form, das wusste Mario. Als Fünfzehnjährige war sie bei den Schweizer Juniorenmeisterschaften Dritte über vierhundert Meter Sprint geworden, wie sie ihm einmal anvertraut hatte. Und da sie immer noch regelmäßig Sport trieb, hatte sie sich sicher gut gehalten.
    Mario steckte die Waffe wieder ein und eilte Gret hinterher. Tatsächlich lief seine Kollegin unglaublich schnell. Aber der flüchtende Tamile hechtete bereits in einen senfgelben Porsche 911 Targa 4, dessen Türen er offensichtlich mit einer Fernbedienung geöffnet hatte. Sein Wagen? Wohl kaum.
    Gret erreichte das Luxusmobil, wenige Zehntelsekunden bevor dessen Motor aufheulte. Sie schlug mit der Handfläche gegen die Scheibe. Mario sah durch das getönte Glas in ein angstverzerrtes Gesicht. Dann gab der Mann Gas. Der Wagen bäumte sich auf und schoss davon, wobei Gret beinahe der Rückspiegel in die Rippen gerammt worden wäre.
    »Schieß auf die Räder!«, hörte er ihre schrille Stimme. »Aber sei um Himmels willen vorsichtig!«
    Nicht dass sie ihm Letzteres extra hätte sagen müssen. Mario wusste, dass er seit seinem Unglücksschuss auf dem Üetliberg vor gut zwei Jahren der Trottel vom Dienst war. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte er kündigen oder zumindest die Abteilung wechseln sollen.
    Er verspürte nicht die geringste Lust zu schießen, sondern hatte die Waffe zuvor lediglich als Drohgebärde auf den Hilfskoch gerichtet.
    »Komm schon!«, rief ihm Gret im Befehlston zu.
    Das ärgerte Mario, aber rechtlich gesehen war sie jetzt nun einmal seine Vorgesetzte.
    Der Porsche war bereits kurz davor, in die Seestrasse einzubiegen, einzig ein vorbeidonnernder Vierachser hinderte ihn daran.
    Mario blickte zu seiner Kollegin. Gret hatte keine Pistole dabei. Natürlich, sie ließ sie stets im Büro, genau wie Staub es immer getan hatte.
    Mario hielt den Atem an, zielte und feuerte in kurzer Folge vier Schüsse ab. Doch der Porsche raste mit durchdrehenden Reifen und lautem Motorengeheul davon.
    Er hatte nichts getroffen – Gott sei Dank.
    »Zum Wagen!«, keuchte Gret.
    Wenig später bogen auch sie mit quietschenden Reifen in die Seestrasse ein. Am Steuer saß natürlich er. Denn Autos waren nicht wirklich Grets Domäne.
    Selten war er so froh über einen Sattelschlepper gewesen wie in diesem Augenblick. Der flüchtende Tamile hatte ihn nämlich im steten Gegenverkehr noch nicht überholen können und lauerte rund zweihundert Meter vor ihnen auf eine günstige Gelegenheit. Offenbar war der Mann doch noch nicht völlig durchgeknallt.
    Mario brachte die Sirene in Gang und trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Zum Glück waren sie mit einem der raren schnellen BMWs der Kantonspolizei unterwegs und nicht mit einem der kriechenden Volvos: Der Wagen schoss los wie eine Kanonenkugel.
    Gret sprach hektisch in das Funkgerät, während Mario den senfgelben Flitzer schon beinahe eingeholt hatte. Ob der Tamile ihr Näherkommen ahnte oder nicht: Plötzlich scherte er jedenfalls aus und schob sich direkt neben den Laster. Sie befanden sich genau auf der Höhe der Roten Fabrik. Der Vierachser fuhr geradeaus, der Porsche schleuderte nach links, hinab in die Bahnunterführung und tauchte nach wenigen Sekunden an deren Ende wieder auf. Die Tafel Kein Vortritt ignorierte er und preschte einfach in die Albisstrasse hinein, wobei er mit der Stoßstange ein 7er-Tram schrammte, das an der Haltestelle soeben gestoppt hatte.
    Mario hatte sich getäuscht: Der Typ war doch irre! Autos brachten sich auf dem Trottoir in Sicherheit, Passanten sprangen panisch beiseite. Die beiden Polizisten kamen dem Fluchtauto immer näher.
    Es war ein Wahnsinn, sich hier ein Verfolgungsrennen zu liefern, dachte Mario. Das Ganze würde zwangsläufig in einer Katastrophe enden. Doch konnten sie den Mann einfach entkommen lassen?
    Gret schien nicht dieser Ansicht zu sein.
    »Verstärkung ist auf dem Weg«, informierte sie ihn atemlos, bevor sie wieder in den Sitz gedrückt wurde.
    Mario versuchte, noch einmal alles aus dem BMW herauszuholen, und scherte wie zuvor der Tamile brutal nach links aus, um eine Kolonne zu überholen. Sie rasten auf dem

Weitere Kostenlose Bücher