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Staub Im Paradies

Titel: Staub Im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Solèr
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mich an. »In einem von Bürgerkrieg und Naturkatastrophen gebeutelten Land!«, gibt er sich die Antwort gleich selbst. »Auf einer gottverlassenen, von korrupten Politikern und übergeschnappten Geistlichen heruntergewirtschafteten Insel, in der es von Gaunern, Krüppeln und Bettlern nur so wimmelt. Wo Fünfjährige in der Kleiderfabrik schuften und Zwölfjährige im Bordell! In einem Land, in dem zweiundsiebzig Prozent der Leute unter der Armutsgrenze leben und den ganzen lieben langen Tag darüber nachdenken, wie sie ihre beschissene Lage verbessern könnten, und sei es auch nur ein bisschen. Natürlich versuchen sie, uns nach Strich und Faden zu bescheißen! Wer sollte es ihnen verübeln? Der Tsunami hat Häuser weggespült, die nie existierten, und Kinder ertränkt, die nie geboren wurden. Klar! Natürlich! Logisch!«
    »Sie hatten und haben Spendengeld zu verteilen«, rede ich, bereits etwas weniger forsch, dazwischen.
    »So ist es. Wobei die konkreten Anträge von einer einheimischen Schwesterorganisation kommen, die, unter uns gesagt, tatsächlich nicht immer ganz koscher arbeitet. Wir prüfen die Anträge hier nach bestem Wissen und Gewissen, aber mit viel zu wenig Personal. Die Aufgabe ist unglaublich anspruchsvoll und schwierig. Sie können meinen Job gerne mal eine Woche lang machen, wenn Sie glauben, es besser zu können!«
    »Das behauptet ja niemand«, verteidige ich mich. »Wir haben lediglich gefragt, ob in Bezug auf die Tsunamihilfe einiges schief gelaufen ist.«
    »Einiges ist ganz entsetzlich krumm gelaufen, mein Lieber. Ich wäre der Letzte, der das bestritte. Was mir das Fräulein dort drüben aber unterstellt, ist, dass ich mich persönlich an diesen Geldern bereichert habe. Und das ist einfach eine Frechheit!«
    Ich bemerke aus dem Augenwinkel heraus gerade noch rechtzeitig, dass Adrienne tief Luft holt, um Trüeb Contra zu geben. Mit einem unmissverständlichen Handzeichen gebe ich ihr zu verstehen, dass sie gefälligst weiter die Klappe halten soll.
    Wortlos stößt sie die eingeatmete Luft wieder aus und setzt einen schmollenden Blick auf. Das ist mir aber egal – Hauptsache, sie schweigt.
    »Wie oft ist Rainer Schütz denn zum Schachspielen zu Ihnen gekommen?«, wende ich mich dem eigentlich interessanten Thema zu. »Und woher kennen Sie ihn überhaupt?«
    »Muss ich das beantworten?«
    Trüeb scheint nun, nachdem er sich seinen Unmut von der Seele geredet hat, entschlossen, uns das Leben wieder schwer zu machen.
    »Nein«, sage ich. »Aber Sie würden mir damit eine große Freude machen. Schließlich versuche ich nur, den Mord an einem Landsmann aufzuklären.«
    »Indem Sie mich fragen, woher ich ihn kenne?«
    Ich reagiere einfach gar nicht.
    »Ich lernte Rainer bei einem Empfang auf der Botschaft kennen«, beginnt er widerborstig zu erzählen. »Umgeben von Dutzenden von Zeugen übrigens. Zufällig kamen wir aufs Schachspielen zu sprechen. Wie sich herausstellte, spielten wir beide leidenschaftlich gern. Wir trafen uns drei Mal in den vergangenen zwei Monaten. Er kam jeweils abends hierher und legte anschließend noch einen freien Tag am Strand ein, bevor er nach Hamawella zurückfuhr.«
    »Spielte er gut?«
    »Teuflisch gut«, seufzt Titus Trüeb. »Ein einziges Mal gelang es mir, ihm ein Remis abzutrotzen.«
    »Wissen Sie, ob er außer Ihnen auch mit anderen Leuten Schach gespielt hat?«
    Die Frage löst bei Trüeb ein längeres Stirnrunzeln aus.
    »Nun?«
    »Es gibt da einen steinreichen Deutschen namens Müller, der in der Gegend von Haputale eine Teeplantage führt. Und dann spielte er noch mit einem hohen Militär.«
    Von Müller hat mir Salis schon erzählt. Aber dass General Premadasa ebenfalls Schütz’ Schachgegner gewesen sein könnte, hatte ich bislang ignoriert.
    »Kennen Sie die beiden?«
    »Ich habe schon gegen sie gespielt«, räumt Trüeb ein. »Müller kennt sich hier im Land ausgezeichnet aus und hat mir zu einigen guten Kontakten verholfen.«
    »Zu Premadasa zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel zu General Premadasa«, bestätigt Trüeb. »Ein wirklich herausragender Spieler übrigens, genau wie Schütz.«
    So langsam beginnt mir der Kopf zu rauchen, trotz der unangenehmen Kälte der Klimaanlage, die mir in die Knochen kriecht. Schütz, Trüeb, ein Deutscher namens Müller aus Haputale, wo mich Michael wegen eines in Zürich getöteten Tamilen hinschickt, sowie Premadasa, der Schütz’ Leiche abtransportiert hat – sie alle kennen sich offenbar.
    Ein paar Zufälle zu

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