Staub Im Paradies
viel für meinen Geschmack.
Ich verwerfe hilflos meine Hände, irgendwie bin ich mit meinem Latein am Ende. Verasinghe betrachtet mich verwundert. Da das Gespräch auf Schweizerdeutsch abläuft, bekommt er leider überhaupt nichts davon mit. Ich muss ihn nachher dringend auf den neuesten Stand bringen.
»Wissen Sie zufällig, ob Premadasa Schütz’ Laptop an sich genommen hat?«, fällt mir doch noch eine Frage ein.
»Träumen Sie? Ich habe den General seit Wochen nicht mehr gesehen. Woher soll ich wissen, was er treibt?«
»Haben Sie mit Schütz über Ihre Arbeit gesprochen?«
»Logisch«, meint Trüeb. »Ich habe geflucht über das Chaos hier, den Druck, die Ansprüche, die Schnorrerei, die haltlosen Verdächtigungen.«
Dabei wirft er Adrienne einen giftigen Blick zu, aber sie lässt sich zum Glück nicht provozieren.
»Rainer wiederum klagte über karrieregeile Wissenschaftler, die einzig neue Forschungsgelder im Auge hätten und ansonsten nicht über ihren Bauchnabel hinaussähen«, fährt Trüeb fort.
»Hat er Namen erwähnt?«
»Keine, die mir in Erinnerung geblieben wären.«
»Hugentobler?«, versuche ich es.
»Der Mücken-Professor? Den bezeichnete er mal als verschroben, aber genial.«
»Haben Sie irgendeine Idee – und sei sie auch noch so abwegig –, wer Rainer Schütz erschossen haben könnte?«
»Nein, zum Teufel! Aber ich war es ganz gewiss nicht!«
Daraufhin folgt betretenes Schweigen. Verasinghe schlürft an seinem Tee und Adrienne wippt nervös mit ihrem Fuß auf und ab.
»Die Probleme hinsichtlich der Tsunamihilfe interessieren mich nur marginal. Aber vielleicht setzen Sie sich doch mal mit der jungen Frau hier zusammen und versuchen gemeinsam, all die offensichtlichen Missverständnisse auszuräumen«, schlage ich friedensbewegt vor.
»Nein danke!«, lehnt Trüeb in angewidertem Tonfall ab.
Adrienne kann es daraufhin leider nicht lassen, ihm nochmals zu versichern, dass sie weiterrecherchieren werde, bis sie ihn kriege.
»Wo war die denn an jenem Freitagnachmittag?«, giftet Trüeb erbost.
Ich beschließe aufzubrechen, bevor sich die beiden erneut an die Gurgel gehen.
Trüeb hält sich gar nicht erst lange mit einer Verabschiedung auf. Er verschwindet einfach eine Treppe hinauf und knallt irgendwo eine Tür zu.
Ich verlasse sein Haus vollkommen ratlos und sehne mich plötzlich nach den Mitarbeitern meiner Abteilung in Zürich. Nach Michael und Gret. Sie könnten mir helfen. Aber sie sind nun einmal leider nicht greifbar im Augenblick.
Stattdessen gebe ich Verasinghe noch auf der Straße vor Trüebs Haus eine Zusammenfassung des Gesprächs, mit der mein Kollege jedoch nichts anfangen kann. Dafür weist er mich darauf hin, dass wir nicht einmal herausgefunden haben, wo Trüeb zur Tatzeit war.
Wo er recht hat, hat er recht: Ich vergesse bereits die elementarsten Dinge! Es muss an der Hitze liegen oder an den verfluchten Malariaprophylaxen, die ich nach dem Frühstück eingeworfen habe.
Ich klingle also erneut. Nach einem längeren Disput und der treuherzigen Versicherung, dass man Herrn Trüeb ganz bestimmt nicht mehr zu holen bräuchte, lässt man uns schließlich nochmals auf das Gelände.
Wir befragen sowohl die zwei Frauen an ihren Computern als auch den greisen Hausdiener. Alle drei behaupten übereinstimmend, Trüeb sei an dem fraglichen Freitagnachmittag mit einem gecharterten Boot die Küste entlanggefahren. Vermutlich habe er sich einen Überblick über die Hilfsmaßnahmen verschaffen oder nachsehen wollen, ob der neue Golfplatz in Beruwela schon spielbereit sei.
Ich gerate fast in Versuchung, mir Trüeb nochmals vorzunehmen.
Aber Verasinghe winkt ab: »Er rennt uns doch nicht weg, oder?«
»Nein«, stimme ich ihm zu. »Fahren wir zurück. Ich muss dringend nachdenken!«
»Die Geschichte stinkt«, meint Verasinghe und Adrienne nickt zustimmend. »Schütz’ Tod muss mit der Schachspielerei zu tun haben. Oder mit seinen Schachfreunden.«
»Aber warum?«, frage ich resigniert. »Warum denn nur?«
»Wir werden es erfahren.«
»Ich sollte am Sonntag zurückfliegen«, jammere ich weiter.
Das betrübt nun auch Verasinghe. Zusammen mit Adrienne klettert er missmutig in seinen Jeep und wartet mit traurigen Augen, bis ich am Straßenrand meine Muratti zu Ende geraucht habe.
In diesem Moment wird mir bewusst, dass ich meinen srilankischen Kollegen auf keinen Fall hängen lassen werde. Notfalls muss Zürich warten.
Ich trete den Zigarettenstummel in dem braunroten
Weitere Kostenlose Bücher