Staub Im Paradies
Staub aus, steige in den Jeep und klopfe Verasinghe aufmunternd auf die Schultern. Er braust los. Nicht zurück auf die N17, die uns schnell wieder in die Berge führen würde, sondern auf die Küstenstraße N2 Richtung Matara. Verasinghe muss bei Verwandten noch ein paar Holzkisten mir unbekannten Inhalts abladen.
Der Verkehr ist wie stets halsbrecherisch, die löchrige Straße von unzähligen Buden und Kiosken gesäumt, in denen Zigaretten, Kleider, Plastikspielzeug, Ledertaschen und Tand jeder Art feilgeboten werden. Talpe, Koggala, Ahangama, Midigama. In schneller Folge wechseln sich wuselige Ortschaften ab, die fließend ineinander überzugehen scheinen. Dass man im Dorfzentrum ist, merkt man einzig daran, dass die Häuser etwas größer werden. Allerdings wirken sogar die Behausungen der Wohlhabenderen teilweise extrem heruntergekommen. Die Fassaden sind fleckig vom Monsunregen, überall blättert Farbe ab. Sobald man aus den Ortszentren herauskommt, werden die Wohnstätten niedriger und kleiner, die Wände bestehen oft nur noch aus ungebrannten Lehmziegeln und die Dächer aus ausgebleichten Palmblättern oder rostigem Wellblech.
Den Kontrapunkt zu den ärmlichen Hütten bilden gelegentlich auftauchende Touristenhotels und protzige Edelerholungsheime von internationalen Firmen und staatlichen Organisationen. Herausgeputzte, dem Meer zugewandte Luxusbauten, die angesichts der Behausungen der einfachen Bevölkerung wie ein Hohn wirken.
Als wir in Matara anhalten, um zu tanken, werden wir sofort von Wanderhändlern umzingelt, die vom Strand heraneilen und vom Willen beseelt sind, mir und Adrienne irgendwelchen Ramsch aufzuschwatzen. Aus unerschöpflichen Säcken werden Brief- und Handtaschen gezaubert, glitzernde Ketten, bunte Seidentücher, mit gerösteten Nüssen gefüllte Plastiktüten, lederne Gürtel und hölzerne Elefanten in allen Größen. Die Händler sind endlos verhandlungsbereit und lassen sich weder durch völliges Ignorieren noch durch lautes Neinsagen abschütteln. Nicht einmal der Anblick von Verasinghes Polizeiuniform bringt sie zur Räson. Wir bleiben standhaft und kaufen nichts. Denn der Erwerb einer der feilgebotenen Waren würde zwar einem einzelnen Händler die nächsten paar Tage versüßen, aber nichts an der ganzen Situation ändern.
»Schrecklich, diese Armut«, sagt Adrienne, nachdem wir wieder Fahrt aufgenommen haben.
»Wir sind schon unheimlich verwöhnt«, stimme ich ihr zu.
»Umso wichtiger, dass wir helfen«, entgegnet sie ernst.
Ich nicke vieldeutig in der Hoffnung, dass sie nicht von Neuem mit Trüeb anfängt.
Aber sie tut es doch, wenn auch anders als befürchtet: »Entschuldige, Fred. Ich wollte Trüeb nur ein wenig aus der Reserve locken.«
»Das hast du wahrlich geschafft«, schmunzle ich.
»Auch wenn er sich bestens geschlagen hat: Ein unsympathisches, arrogantes Arschloch ist er trotzdem, oder?«
Ich denke eine Weile nach und sage dann: »Das ist er.«
Ein umgekippter Ochsenkarren blockiert die linke Fahrspur. Ich klammere mich in Erwartung eines filmreifen Bremsmanövers schon am Armaturenbrett fest, aber Verasinghe drückt lediglich gleichmütig auf die Hupe und weicht bei vollem Tempo auf eine Fläche neben der Straße aus. Wir holpern über Schlaglöcher und ein paar aus dem Boden ragende Röhren und knallen fast in einen uns entgegenschlingernden Bus. Verasinghe muss noch weiter nach links ausweichen, überfährt zum Trocknen ausgelegte Nüsse und mäht Sträucher nieder. Ein paar aufgeregt gackernde Hühner können sich in letzter Sekunde retten. Nach einer Zeit, die mir wie eine halbe Ewigkeit vorkommt, findet mein Kollege schließlich zurück auf die Straße. Stur blickt er geradeaus, als wäre nichts geschehen.
»Warum fahren Sie wie ein Lebensmüder?«, keucht ihm Adrienne von hinten ins Ohr.
»Hä?«
Verasinghe blickt sie verständnislos im Rückspiegel an und drückt dann auf die Hupe, um einen gemütlich dahintuckernden Traktor an den Straßenrand zu scheuchen.
Gret riecht Lunte
Das Mädchen tat ihr leid. Janani Uruthiramoorthy saß vornübergebeugt auf ihrem Stuhl und heulte wie ein Schlosshund. Gret hatte ihr hart zugesetzt, das wusste sie. Aber sie brauchten jetzt einfach einen Fortschritt. Denn der Rest der Familie Uruthiramoorthy schwieg so eisern wie ihr ältester Sohn Lathan, der immer noch im Koma dahindämmerte.
»Ich habe nichts getan!«, wimmerte das Mädchen.
Gret schämte sich ein wenig. Sie war sich sicher, dass Janani
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